alle mir angetanen Grausamkeiten heim.“ Von den Habseligkeiten seines Lehrers nahm er sogar als Erinnerung ein Büchlein mit Gravüren mit, „freilich von roher Ausführung“, wie er halb entschuldigend hinzufügt.
Von Kyryliwka floh der verwaiste Knabe des Nachts nach der nachbarlichen Ortschaft Lysjanka, wo er sich als Malerlehrling ausbilden wollte. Er bekam dort einen neuen Lehrer in der Person eines Küsters, der sich auch mit Pinselei befaßte. Recht bald sah aber Schewtschenko ein, daß er durch den Tausch wenig gewonnen hatte, denn der neue Erzieher unterschied sich in seinen Lebensregeln und Gewohnheiten fast gar nicht von dem früheren Meister. Die Arbeit des Lehrlings bestand hauptsächlich darin, Wasser in Eimern bergauf aus dem Flusse Tykytsch zu schleppen und Kupferfarbe auf einer Eisenplatte zu reiben. Nur drei Tage ertrug er diese Stellung und er begab sich dann in das Dorf Tarasiwka zu einem Küster, der ebenfalls als Künstler galt; dieser aber weigerte sich, den Jungen in die Lehre zu nehmen.
Schewtschenko sah sich nun genötigt, in das Heimatsdorf zurückzukehren. „Mir schwebte“ – schreibt er in seinen ‚Erinnerungen‘ – „nun ein bescheidner Schicksalsanteil vor, den meine Phantasie in ihrer Einfalt gleichwohl mit besonderem Reiz auszustatten half: es lockte mich, wie Homer sagt, der Hirte schuldloser Herden zu werden, indem ich, hinter ihnen einherwandelnd, mein liebes gestohlenes Bilderbüchlein in Muße zu lesen gedachte. Doch auch dies glückte mir nicht.“ Gegen einen Jahreslohn von drei Rubeln wurde Taras Schweinehirt bei einem Popen, bis er diese Stellung mit der eines Küchenjungen bei Dmytrenko, dem Gutsverwalter Engelhardts, vertauschte. Auch hier konnte er sich aber seine Lust zum Malen nicht aus dem Kopfe schlagen. Er kritzelte weiter und da die Umstände ihm nicht gestatteten, Gemälde oder Holzschnitte zu kaufen, konnte es wohl zuweilen passieren, daß er die verbotenen Früchte einfach unerlaubt pflückte. Mitunter geschah es auch, daß er den Dienst in der Küche versäumte, in welchem Falle die gewohnte Strafe, Schläge ins Gesicht, nicht ausblieb.
Alfred Anton Jensen: Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Adolf Holzhausen, Wien 1916, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taras_Schewtschenko._Ein_ukrainisches_Dichterleben._Von_Alfred_Jensen_(1916).djvu/30&oldid=- (Version vom 14.9.2022)