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können, wären nicht ukrainische Gelehrte ihm dabei behilflich gewesen. Das charakteristischeste Produkt der damaligen ukrainischen Kultur bedeutet die zeitgenössische ukrainische Geschichtsschreibung nach Chmelnytzkyj (Samowydetzj, Welytschko, Hrabjanka). Die nationale Epik wurde in „Dumy“ (Rhapsodien) gepflegt. Die hervorragendsten Staatsmänner der Ukraine, Masepa, Orlyk, Polubotok u. a., waren auch dichterisch begabt.

Diese kulturellen Dienste wurden den Ukrainern schlecht gelohnt. Die russische Regierung trat mit eiserner Folgerichtigkeit jedem ukrainischen Separatismus entgegen und versuchte von allem Anbeginn an, das ukrainische Element mit dem russischen zu verschmelzen oder, wo dies unmöglich war, zu vertilgen. Bereits 1680 wurde die kirchliche Literatur in ukrainischer Sprache sistiert und 1720 erschien ein Verbot für den Druck ukrainischer Bücher überhaupt. Die ukrainischen Schulen wurden geschlossen, was selbstverständlich einen ungeheuren kulturellen Rückgang zur Folge hatte, und die ukrainische Priesterschaft wurde dem moskowitischen Patriarchen, schließlich der Heiligsten Synode gänzlich unterworfen.

In der nach der dritten Teilung Polens annektierten westlichen Ukraine, wo es viele Anhänger der unierten Kirche gab, ergriffen die Behörden oft gewaltsame Maßregeln, um die Widerspenstigen zum „rechten“ Glauben zurückzuführen und auf diese Weise den hier bereits bestehenden Druck zu verdoppeln.

Und am Ende des XVIII. Jahrhunderts, als die ukrainischen Landesangelegenheiten schon einer moskowitischen Kanzlei (Prikas Malyja Rossii) überliefert worden waren, war die Volksaufklärung in der Ukraine noch immer größer als in den letzten Jahrzehnten des XIX. Jahrhunderts. Fürwahr eine sonderbare Entwicklung, die zu ernstem Nachdenken Anlaß gibt! Der Niedergang der Volksbildung in der Ukraine steht im Zusammenhang mit der Monopolisierung des gesamten Schulwesens durch den russischen Staat.

Trotz des national-politischen und sozial-kulturellen Niederganges lebte die ukrainische Sprache unentwegt fort,