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(Hajdamatschyna), welche im Jahre 1768 in der sogenannten Kolijiwschtschyna ihren Höhenpunkt erreichte und zugleich ihr Ende. Mit Hilfe Rußlands unterdrückte Polen den letzten ukrainischen Aufstand in Blutströmen. Nach einigen minder bedeutenden letzten Zuckungen wechselte die Westukraine ihren Herrn; mit Ausnahme Galiziens kam sie unter russische Herrschaft. Die Stelle des polnischen Latinismus gegenüber der unierten Kirche der Ukrainer nahm jetzt die russische Orthodoxie ein. Die soziale Lage der ukrainischen Bauern wurde nach der Teilung Polens noch schlechter: polnische Gutsbesitzer in der Westukraine hatten jetzt die genügend strengen Machtmittel eines nach den Prinzipien der Leibeigenschaft organisierten Staates, um ihre Untertanen wirtschaftlich im vollen Maße auszunützen. Infolge des Mangels an Verwaltungsorganen konnte dies in Polen nicht erreicht werden. Deshalb haben auch sämtliche ukrainische Emanzipationsbestrebungen diesseits des Dnipró, mögen sie auch im Grunde genommen gegen den Staat gerichtet sein, einen stark polenfeindlichen Anstrich.




Als das alte Kiew auf der Höhe seiner Macht stand und Beziehungen mit dem Abendlande anknüpfte, war das kulturelle Niveau in dem damaligen Ruthenenlande ungleich höher als 500 Jahre später, da Iwan Grosnyj das moskowitische Einheitswerk vollendete. Über das ursprüngliche Verhältnis der ukrainischen Sprache zu der russischen hat die Wissenschaft vielleicht noch nicht ihr letztes Wort gesagt. Doch so viel steht immerhin fest, daß seit Jahrhunderten ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Sprachen existiert, was auch von der Kaiserlichen Akademie in Petersburg bestätigt wurde. Mögen die Gelehrten auch noch so heftig über den sprachlichen Charakter des berühmten Igorliedes streiten – es steht fest, daß diese eigenartig frische und lebensfrohe Poesie niemals aus moskowitischem Boden hervorsprießen konnte.

Diese ziemlich reichhaltige und eigenartige Literatur der staatlichen Unabhängigkeitsperiode nahm ihr Ende mit