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Dem Dichter Osyp Fedjkowytsch (1834–1888) möchte ich beistimmen, wenn er in seiner poetischen Huldigung 1866 den Pilgern zum Grabhügel am Dnipró zuruft: „Weshalb seid ihr zu dem Heiligtum gekommen, was habt ihr in dem Tempel zu suchen, ihr, Kämpfer der neuen Ukraine? Nicht um an unsre Toten zurückzudenken, nicht um Tränen des Kummers zu vergießen, sondern um den heiligen Propheten zu preisen und um in diesem Heiligtum zu schwören, gemeinschaftlich für das lebendige Ruthenenland, für die lebendige Gerechtigkeit einzustehn.“

Der gleiche Fedjkowytsch schrieb auch 1865 in der „Nationalpoesie der Ruthenen“ ein deutsches Originalgedicht, mit dem meine Studie ihren Abschluß findet:

In Kiew an der Lawra,[1]
da saß ein Sängergreis,
sein Bart war weiß wie Silber,
die Locken silberweiß.

Der sang viel alte Lieder,
sang manchen Seherspruch
und manchem Teufel Segen
und manchem Engel Fluch.

Und manchem Helden Schande
und manchem Weisen Hohn
und manches Schwert in Stücke,
in Stücke manchen Thron.

Da riß sich eine Quader
vom alten Dome los
und stürzt zu seinen Füßen
und sprang in seinen Schoß.

„O Sänger, du furchtbarer Sänger,
laß solch ein Singen sein,
sonst stürzt zu deinen Füßen
das ganze Rußland ein!“


  1. Das berühmte Höhlenkloster.