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Nachruf.

In einem Gedichte „Die ukrainische Sprache“ (1885) von dem ukrainischen Dichter Wolodymyr Samijlenko (geboren 1864) wird Schewtschenko mit einem Edelstein verglichen, der „auf einer großen Landstraße liegt, wo allerlei Leute herumgehn, ohne den Wert des Steines zu erkennen“.

Dieser Vergleich dünkt mich in hohem Grade zutreffend. Es dauerte in der Tat recht lang, bevor unser kleiner Weltteil von Taras Schewtschenko etwas mehr als den bloßen Namen erfuhr.

In der Literatur, die der ukrainischen am nächsten steht, d. h. in der russischen, blieb Schewtschenko recht lang unbekannt und verkannt, obgleich es gerade Schewtschenko war, der zwischen den beiden Literaturen eine nicht mehr verwischbare Grenze gezogen hat. Wir wissen schon, wie schroff ablehnend der maßgebende Literaturkritiker Bjelinskij sich dem Kobsaren gegenüber verhielt. Nach dem Erscheinen der „Hajdamaken“ schrieb Bjelinskij in den „Otetschestvennyja Sapiski“ 1842: „Derartige Erzeugnisse erscheinen ausschließlich zur Erquickung und Erbauung der Verfasser selbst; ein andres Publikum haben sie wahrscheinlich nicht. Wenn die Herren ‚Kobsaren‘ glauben, durch ihre Gedichte den niedrigsten Klassen ihrer Landsleute irgend welchen Vorteil zu bringen, täuschen sie sich. Diese Gedichte – abgesehn von dem Überfluß an gemeinsten Ausdrücken – entbehren jeder Schlichtheit in bezug auf Erfindung und Fabel und sind voll geschmackloser Verzierung und Kunstgriffe, allen schlechten Poeten angeboren. Sie sind oft nicht im geringsten volkstümlich, wenngleich sie sich auf