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der jugendlichen Generalin geliebt und von ihr verleitet wird, den Gemahl zu vergiften. Petrusj gibt sich jedoch selbst bei Gericht als Mörder an und wird nach Sibirien deportiert.

In allen diesen Stoffen widerspiegelt sich Schewtschenkos eigenes Schicksal mehr oder weniger. Man merkt auch hier, wie fremd er dem russischen Byronismus gegenüberstand. Für ihn war der „Gefangene vom Kaukasus“ wahrhaftig kein romantischer Held à la Petschorin und es konnte ihm nicht in den Sinn kommen, derartige romantische Gestalten ästhetisch zu verwerten.

Je älter und vereinsamter Schewtschenko wurde, desto mehr quälte ihn das unglückliche Los seines Vaterlandes. „Nicht nur in einem einzelnen Dorfe – dichtete er am Aralsee (1848) – sondern in der ganzen ruhmreichen Ukraine haben die hinterlistigen Herren Menschen unter das Joch gespannt. Ritterliche Söhne verderben und gottlose Herren verkaufen ihre letzte Hose den Juden, ihren guten Brüdern.“ Bei dem Gedanken an die sittlichen Folgen der Leibeigenschaft wird sogar seine helle Auffassung des idyllischen Dorflebens verdunkelt. Es schneidet ihm ins Herz und während der Verbannung (1850) wehklagt er in Orenburg:

„Ihr würdet nicht Idyllen schreiben,
ihr, feine Herrscher, ließt es bleiben,
mit Gottes Lob uns zu erbauen,
wenn ihr die Tränen würdet schauen,
die viele eurer Nächsten weinen.
Wie kommts, daß wir das Haus im Haine
ein Paradies auf Erden nennen?
Dort lernt’ ich erste Qualen kennen,
dort floß auch meine erste Zähre!
Ob Gott ein grimmig Übel kennt,
das nicht im Haus zu finden wäre,
das doch ein Paradies man nennt?
Ein Paradies kann mir nicht sein
das Haus am klaren Teich im Hain:
in diesem Haus am Dorfesrand
die Mutter mich in Windeln wand;
indes ihr Lied dazu sie sang,
ihr Lied in meinen Busen drang.