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mit diesem Prozeß entwickelte sich in der westlichen Ukraine durch die Vereinigung von Galizien und Lodomerien (Wolhynien) ein ansehnlicher Staat, als dessen Hauptstadt Halytsch, Wolodymyr, Cholm und Lemberg einander ablösten.

Um die Mitte des XIV. Jahrhunderts wurde das galizisch-lodomerische Reich zwischen Polen und Litauen geteilt; dem letztern gelang es auch, die übrigen zertrümmerten Provinzen des ehemaligen Kiewer Reiches den Tataren zu entreißen. Nach der ersten polnisch-litauischen Personalunion (1386) wurden sämtliche Gebiete der Ukraine Bestandteile des polnisch-litauischen Staates, bis zufolge der endgültigen Union von 1569 beinahe das ganze ukrainische Territorium dem polnischen Teile dieses Staates anheimfiel.

Unter der polnischen Herrschaft erging es dem ukrainischen Volke sehr schlecht. Diese Zeit zeigt eine kaum übersehbare Reihe von Gegensätzen und Kämpfen zwischen den beiden Völkern. Die Konflikte erstrecken sich auf sämtliche soziale Gebiete. Im Bereich des religiös-kirchlichen Lebens wurde der traditionelle Gegensatz zwischen dem Katholizismus und der Orthodoxie durch Schaffung der kirchlichen Union keineswegs beseitigt, weit eher kompliziert; der römisch-katholische Ritus blieb immer die privilegierte herrschende Konfession. Diese Unterschiede und Gegensätze kamen natürlich im ganzen kulturellen Leben zum Ausdruck.

Auf sozial-wirtschaftlichem Gebiete wurde in den ukrainischen Ländern das Polentum durch den Großgrundbesitz repräsentiert und durch den privilegierten Bürgerstand (zumeist Juden). Alle politischen Rechte lagen bekanntlich in polnischen Händen, was die Ukrainer in ihren alten politischen Überlieferungen stark verletzte.

Alle diese Gegensätze verschärften sich jedoch ganz besonders seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts, wo sich der freie, oft zügellose ukrainische Kosakenstand zu einem wichtigen politischen Faktor in Osteuropa emporschwang und zum Vorkämpfer für die nationalen Forderungen der Ukrainer wurde. Tollkühne Kosakenführer, wie Kosynskyj, Nalywajko, Loboda,