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„Allüberall Berge, von Wolken umflossen,
mit Jammer besäte, mit Blut übergossen!“

Die sittliche Entrüstung des Dichters richtet sich zunächst gegen das Nikolaische System, welches „von der Moldau bis zu den Finnen“ mit seinen Eroberungsgelüsten den freien Geist knechtet und „ein ganzes Meer von Blut und Tränen vergießen läßt“. Er geißelt die Herzlosigkeit jener Staatskunst, die nur bezweckt, „Kerker zu mauern und Fesseln zu schüren“. Der Dichter bleibt aber dabei nicht stehn. Seine Betrachtungen umfassen die ganze Zivilisation mit ihrer Frömmelei, Heuchelei und Gewinnsucht; er verhöhnt das falsche Christentum und die Unkultur, die von Sibirien bis nach Kaukasien verbreitet wird und „im Namen Christi das stille Paradies in Brand gesteckt hat“.

„Wem zum Heil wardst du gekreuzigt,
Jesus Christ, Sohn Gottes? …“

Aber der Dichter verzweifelt nicht ganz. Denn „die Seele ist unsterblich und frei trotz Machtgeboten und das Wort läßt sich nicht knebeln“. Er glaubt, daß Recht und Freiheit überall auferstehn werden, wenngleich noch Ströme roten Blutes fließen müssen. Und deshalb:

„Euch auch Ehre, blaue Berge,
     Gletscher unermessen!
Ehre euch, ihr großen Helden,
     nicht von Gott vergessen,
Kämpft nur, kämpfet und ihr werdet
     Sieger des Gefechtes!
Euch hilft Gott, die Kraft, die Freiheit
     und die Macht des Rechtes.“

Es gibt Naturen, die nach heftigem Auflodern des jugendlichen Freiheitsdranges mit den Jahren gemäßigt werden, erschlaffen, resignieren und sich mit den tatsächlichen Verhältnissen abfinden, sei es aus Feigheit oder aus altersgebrechlicher Bequemlichkeit. So beschaffen war nun Schewtschenko nicht. Er blieb seinen Jugendidealen treu. Aus der Verbannung kam der gleiche Kampfdichter zurück, der dahin deportiert worden war. Mit dem „zarstwo“ (dem