Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/147

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„Auch mit uns bist du verkettet,
     grimmer Mordgeselle!
Dir einst wollen, kommt der Richttag,
     wir den Weg verstellen
zu dem Thron des Herrn. Du triebst uns
     in den Schnee der Fremde,
Henker, aus der Ukraine,
     hungernd und im Hemde,
schnittest dir aus unsern Häuten
     Stoff zu deinem Kleide,
nähtest ihn mit unsern Sehnen
     (daß wirs mußten leiden!),
bautest deine stolzen Schlösser,
     starbst als Kirchengründer!
Nun frohlocke denn, ein rechter
     Henker, Menschenschinder!“

Hat Schewtschenko das äußere Motiv dieser phantastischen Reise durch ein irdisches Fegefeuer von Dante entlehnt, wenn auch das Gedicht sonst gar nichts mit dem gigantischen Werke des Italieners gemeinsam hat, so ist es um so mehr von Mickiewicz beeinflußt, dessen Epilog zu dem bizarren Liebesdrama „Dziady“ (Totenfeier) dem Ukrainer offenbar als Vorbild diente. Die beiden Dichter haben von der öden Landschaft auf dem Weg nach Rußland den gleichen Eindruck. Bei Mickiewicz heißt es:

„Kein Berg, kein Städtchen auf der weißen Flur,
kein Denkmal der Natur und Kreatur;
das weite Land so öd’, so menschenleer,
als ob es gestern nachts geschaffen war.“[1]

In den beiden Gedichten wird eine Parade geschildert (von Mickiewicz sehr ausführlich), und in beiden wird sarkastisch hervorgehoben, wie der Zar die Hauptstadt aus den Sümpfen durch seinen Machtspruch hervorzauberte. Mickiewicz schrieb:

 „Dem Zaren hat
der Sumpf behagt: da baut’ er – eine Stadt
dem Volke? – nein, sich eine Residenz …
In Sand und Sümpfe, nach des Herrn Befehle,
trieb man gehorsam hunderttausend Pfähle.“


  1. In der Übersetzung von Siegfried Lipiner (1887).