Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/140

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Ketten geschmiedet und in den Turm Zaryhrads eingesperrt. Er entflieht aus dem Gefängnis, wird von Janitscharen ergriffen und an einen Pfahl gebunden, wo ihm die Augen ausgestochen werden …

In dem jungen Kobsar entdeckt Jaryna zu ihrem Entsetzen den verschollenen Stepan, der geblendet zurückgekommen ist. Der Vater will ihm doch Jaryna zur Frau geben; Stepan zögert aber, denn er will sie nicht an einen Krüppel binden, den die Leute verlachen würden; lieber will er zu den Saporogern gehn! Sie beschwört ihn zu bleiben, wenigstens als ihr Bruder, als Sohn des alten Vaters. Nun erzählt er seine Leidensgeschichte. Die Bruderschaft in der Ssitsch habe ihn als Mitglied aufgenommen und über den Balkan nach der Ukraine führen wollen. An der Donau habe er erfahren, daß die Ssitsch von den Moskowitern gänzlich vernichtet worden sei,[1] daß die russische Kaiserin mit dem Netschos[2] in Kiew sich erginge und Mezhyhorskyj Spas verbrennen ließ. Die Steppen seien an die Herren, die Magnaten, verteilt, Kyrylo (Rasumowskyj) nebst der Generalität (starschyna) mit Puder beschmiert und alle „lecken wie Hunde die Pantoffel der Kaiserin“. Jetzt sei er froh, daß er das Licht der Augen nicht mehr habe und so verschont bleibe, das Elend mitanzusehn.

Die traurige Geschichte endet damit, daß der blinde Stepan Jaryna heiratet; der alte Großvater sitzt wie früher vor der Hütte und lehrt den dickbäuchigen Enkel soldatisch grüßen. In dieser wehmütigen Idylle hat Schewtschenko ein rührendes Spiegelbild des dahinsiechenden Kosakentums gegeben.

Wenn er sonst in den lyrischen Gedichten von den Kosaken spricht, hebt er meistenteils ihre Isolierung hervor, ihr unstetiges Wandern und ihre Heimatlosigkeit.

„Fließt ins blaue Meer das Wasser,
     hört nicht auf zu fließen;


  1. Es geschah im Jahre 1775.
  2. Der „Ungekämmte“, so nannten die Ukrainer Potemkin, weil er eine Perücke trug.