Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/137

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Alta den polnischen Kronhetman Koniecpolski besiegte. Die Schilderung dieser Großtat wird einem Kobsar in den Mund gelegt.[1] Charakteristisch ist das pessimistische Motiv am Anfang und Schluß der Erzählung: Es gab einmal die Hetmanschaft, Freiheit und Ruhm; sie kommen niemals wieder. Der Ruhm glänzt wohl noch, aber die Freiheit wurde vom bösen Schicksal ereilt.

Den Urheber des politischen Unterganges der Ukraine sah Schewtschenko in Bohdan Chmelnytzkyj, der in seiner Trunkenheit[2] durch den Vertrag von Perejaslaw (1654) die Ukraine an Moskau kettete. In dem Gedicht „Das aufgewühlte Grab“ (1843) ruft er aus: „Bohdan, törichter Sohn! Betrachte mich jetzt, deine Mutter, deine Ukraine! Hätt ich das gewußt, ich hätte dich in der Wiege erwürgt! … Meine Steppen sind verkauft … und meine Söhne in der Ferne arbeiten für Fremde … Die Moskowiter wühlen meine lieben Hügel auf.“

In dem Gedichte „Subotiw“ (1845) hält Schewtschenko eine neue Strafpredigt auf Chmelnytzkyj.[3] Der Dichter erzählt, wie die Moskowiter die Kirche und die Gräber durchwühlen und wie sie nach Schätzen suchen und den Hetman schelten. „Die Ukraine, die gleiche, welche mit dir Polen vernichtet hat, wird nun von den Bastarden Katharina II. wie von Heuschrecken heimgesucht und verhöhnt. – Doch lachet nicht, ihr Eindringlinge! Die Kirche, der Sarg der Ukraine wird zerfallen, allein aus den Trümmern wird das Land sich neu erheben und die Finsternis der Knechtschaft aufhellen durch das Licht der Wahrheit.“

Ja, als Schewtschenko zum letztenmal in der Ukraine war und im August 1859 Perejaslaw besuchte, konnte er nicht umhin, dem Verhaßten einen bittern Abschiedsgruß


  1. Übersetzt von G. Obrist.
  2. Ein Wortspiel Chmelj, Hopfen, Rauschgetränk. Daß Chmelnytzkyj trunksüchtig war, ist genügend bekannt. Wer war aber im östlichen Europa nüchtern?
  3. In der Kirche des Dorfes Subotiw (im Bezirke Tschyhyryn) wurde der gewaltige Hetman begraben, 1664 ließ aber der polnische Feldherr Czarniecki dessen Sarg plündern.