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seine Fahrzeuge von dem Lyman (der breiten Mündung des Dniprós) ins Meer steuert, seine Pfeife rauchend. Die Kosaken glauben, die Fahrt gehe nach Sinope; Pidkowa aber teilt ihnen mit, daß sie nach Zaryhrad (Konstantinopel) selbst gehn werden, um beim Sultan zu Gast zu sein.

Den besten Ausdruck dieses lebensfrohen, unbändigen Kosakengeistes hat Schewtschenko dem fingierten Otamanen „Hamalija[1] (1843) gegeben, der Skutari, die asiatische Vorstadt von Byzanz, eroberte. Das Gedicht, wo die Mannigfaltigkeit im Versbau die wechselnde Stimmung vorzüglich abspiegelt, ist meiner Ansicht nach das Höchste, was Schewtschenko in diesem Genre geleistet hat. Zuerst hört man, wie die gefesselten Kosaken innerhalb der Mauern von Skutari den Wind anflehn, daß er ihnen Grüße aus der Ukraine und dem Welykyj Luh[2] bringe. „Trockne unsre Tränen, mach unsre Ketten verstummen und zerstreu unsern Herzenskummer!“. Und der Bosporus, der nie vorher das Weinen der Kosaken gehört hatte, brüllte wie ein Stier und trieb mit den Winden und Wellen das Klagelied der Kosaken zum Dnipró, der wiederum den Bruder Luh und die Schwester Chortytzja mit seinem Brausen weckte. Die saporogischen Fahrzeuge (bajdaky) werden sofort bemannt und an der Spitze steht Hamalija. Byzanz schläft in seinem Harem, der Bosporus plätschert leise in der Nacht und das Meer fragt ihn, ob er nicht wisse, welche Gäste er zum Sultan bringe. Der Bosporus kommt wieder zur Besinnung, die Türken und der Sultan schlafen aber noch immer. In Skutari erwachen die gefangenen Kosaken und harren ungeduldig der ersehnten Hilfe. Skutari wird genommen und jetzt erst erwacht Byzanz, seine Augen reibend und mit den Zähnen knirschend. Die Stadt wird geplündert und die siegreichen Kosaken kehren jauchzend heim.


  1. Übersetzt von Arthur Bosch, auch Szpoynarowskyj und Julia Virginia. – Drei ukrainische Krieger dieses Namens haben allerdings existiert, aber erst in den 1660er Jahren.
  2. Siehe Note S. 71.