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er einsam unter den Menschen, erhaben wie die Sonne; er verrät nicht seine innersten Gedanken, damit die Leute das göttliche Wort nicht belächeln …“

Hier sind vielleicht Spuren der polnischen Romantik zu finden. Iwan Franko will darin Einflüsse von Mickiewicz’ erhabener „Improvisation“ (in der „Totenfeier“) konstatieren. Ich kann mich dieser Hypothese kaum anschließen, denn der rebellische „Konrad“ der Muse von Mickiewicz tritt in den Gedichten Schewtschenkos erst später (etwa 1845) deutlich hervor. Eher bin ich schon mit der Auffassung von Professor Tretiak einverstanden, der den Perebendja mit dem „Leierspieler“ (Dudarz) Mickiewicz’ und mit dem mythischen Sänger Bojan im „Igorliede“ vergleicht, welcher „wie ein blauer Adler unter den Wolken schwebt.“

Dem literarischen Europa dürfte Schewtschenko bis heute wohl hauptsächlich als Verfasser der „Hajdamaken[1] bekannt sein. Diese oberflächliche Beurteilung ist gewiß nicht zutreffend, denn „Die Hajdamaken“ sind bei weitem nicht sein bestes Werk. Weil es aber immerhin eine umfangreiche Schöpfung ist und der ersten Periode seiner literarischen Tätigkeit angehört, mag diese historische Erzählung auch hier zuerst erörtert werden.

Der Schauplatz der schrecklichen Hajdamakenrevolte im Jahre 1768 war die Stadt Umanj im Kiewschen Gouvernement, wo am 18. Juni des gleichen Jahres mehrere tausend Polen und Juden von aufständischen Bauern ermordet wurden.[2] Das rechte Gebiet vom Dniprólande war bekanntlich nach dem Tode Chmelnytzkyjs in die Gewalt der Polen gekommen und der wirtschaftliche und religiöse Druck, der auf der armen Bevölkerung lastete, wurde schließlich so schwer, daß ein heftiger, aber ziemlich bald vorübergehender Bauernaufruhr unter Führung der berüchtigten Häuptlinge Honta und Salisnjak ausbrach und besonders heftig in den Bezirken Umanj, Tschyhyryn und Swenyhorod entflammte.


  1. Hajdamaka, Rebelle, Straßenräuber (etwa wie der türkisch-südslawische Hajduk) ist ein tatarisches Wort, aus hajda (vorwärts) und mak (treiben) gebildet.
  2. Polnisch Rzeź Humańska, das Blutbad in Humań.