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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

gewisse Regeln hierunter sich finden werden / sondern es wird sich nach dem clima und andern Umständen zurichten seyn.

§. 2. Ob nun wohl kein Land oder Boden zu finden der sich zu allen Gewächsen schicke / so kan doch fast keiner dergestalt unfruchtbar seyn / er sey felsig / sandig / feuchte / dürre / thonig / hoch oder niedrig / daß er nicht Holtz auf sich trage oder wachsen lasse / es sey denn / daß es eine gantz todte oder verbrannte Erde sey / so von dem Spiritu mundano oder Welt-Geist nichts bey sich führe; Es heißet zwar nach dem gemeinen Sprich-Wort: Loci ubertas ex eo comprehenditur, si solum nec saxosum nec arenosum existit. Daß nehmlich die Fruchtbarkeit eines Orts daher zu erkennen / wenn das Land nicht steinigt oder sandig sey. Aber mit dem wilden Holtze ist es gantz anders. Denn wiewohl eine Art Holtzes immer einen Boden mehr als den andern liebet / zum exempel: der dürre Sand träget nicht gerne Laub-Holtz und Graß / aber das Kiefern Holtz wächset ziemlich starck darinnen. Die Erlen / Weiden / Pappeln / lieben einen nassen Boden / da hingegen die Fichten und Tannen schlecht Fortkommens darauf haben; so mag doch sonsten der Boden so unbeschaffen / halbfelsigt / wild ungeschlacht seyn / als er wolle / so kan man auf solchen eine und andere Art des wilden Holtzes wohl aufbringen / man scharre / hacke / reiße und pflüge ihn nur auf / und streue von allerhand Saamen drein / so wird GOtt wohl seegnen: also solte kein eintziger Ort öde und ungebauet liegen bleiben. Und dieses kan gar leicht in effectu und in Werck erlangt werden / wenn man allenfalls solche Orte einen jeden frey und zu seinem Eigenthum geben / oder aber nach Gelegenheit des Landes gewissen Leuten zum Holtz-Anbau / gleich wie es zum Getraide-Bau geschicht, gegen Zinß einräumen wolte solcher Gestalt / könten die Holtzungen und Wälder / die bißhero ziemlich verwüstet worden / wieder in Anbau gebracht werden / massen denn auch die Erde mehrentheils nichts anders giebet / als was durch fleißige Arbeit zu erlangen ist. Auf den Alpen und andern sehr hohen Gebürgen ist zwar das Contrarium zu sehen / als auf welchen etliche Meilen lang wenig Holtz oder Gestrippe wachsen will; aber hier ist die Unfruchtbarkeit nicht dem Boden / sondern andern Ursachen bey zu messen. Denn die grosse Hitze in Sommer / und die grose Kälte in Winter / desgleichen die Winde Schnee und Frost / sonderlich auf der Nord-Seiten / lassen die Bäume gantz und gar zu keinen Wachsthum gedeyen / sondern wo ja welche sind / bleiben sie struppicht und ungestalt / haben treublichte und dickbüschige Gipffel

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/168&oldid=- (Version vom 21.8.2021)