Wiege vorbeigefahren und haben’s doch nicht sehen können. Ihr Beide aber,“ und er nickte ein paar Mal bedeutsam gegen Hauke und seine Tochter, „danket Gott, daß Ihr nicht Deichgraf seid! Zwei Augen hat man nur, und mit hundert soll man sehen. – – Nimm nur die Rechnungen über die Bestickungsarbeiten, Hauke, und sieh sie nach; die Kerls rechnen oft zu liederlich!“
Dann lehnte er sich wieder in seinen Stuhl zurück, ruckte den schweren Körper ein paar Mal, und überließ sich bald dem sorgenlosen Schlummer.
Dergleichen wiederholte sich an manchem Abend. Hauke hatte scharfe Augen und unterließ es nicht, wenn sie beisammensaßen, das Eine oder Andre von schädlichem Thun oder Unterlassen in Deichsachen dem Alten vor die Augen zu rücken, und da dieser sie nicht immer schließen konnte, so kam unversehens ein lebhafterer Geschäftsgang in die Verwaltung, und die, welche früher im alten Schlendrian fortgesündigt hatten und jetzt unerwartet ihre frevlen oder faulen Finger geklopft fühlten, sahen sich unwillig und verwundert um, woher die Schläge denn gekommen seien. Und Ole,
Theodor Storm:Der Schimmelreiter. Berlin: Gebrüder Paetel, 1888, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Storm_Der_Schimmelreiter.djvu/53&oldid=- (Version vom 1.8.2018)