Seite:Storm Der Schimmelreiter.djvu/201

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

hippokratische Gesicht, und das Kind starrte athemlos auf die unheimliche, ihr unverständliche Verwandlung des unschönen aber ihr vertrauten Angesichts. „Was macht sie? Was ist das, Vater?“ flüsterte sie angstvoll und grub die Fingernägel in ihres Vaters Hand.

„Sie stirbt!“ sagte der Deichgraf.

„Stirbt!“ wiederholte das Kind und schien in verworrenes Sinnen zu verfallen.

Aber die Alte rührte noch einmal ihre Lippen: „Jins! Jins!“ und kreischend, wie ein Nothschrei, brach es hervor, und ihre knöchernen Arme streckten sich gegen die draußen flimmernde Meeresspiegelung: „Hölp mi! Hölp mi! Du bist ja båwen Wåter … Gott gnåd de Annern!“

Ihre Arme sanken, ein leises Krachen der Bettstatt wurde hörbar; sie hatte aufgehört zu leben.

Das Kind that einen tiefen Seufzer und warf die blassen Augen zu ihrem Vater auf: „Stirbt sie noch immer?“ frug es.

„Sie hat es vollbracht!“ sagte der Deichgraf und nahm das Kind auf seinen Arm. „Sie ist nun weit von uns, beim lieben Gott.“

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Storm:Der Schimmelreiter. Berlin: Gebrüder Paetel, 1888, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Storm_Der_Schimmelreiter.djvu/201&oldid=- (Version vom 1.8.2018)