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meine Schuld in den Rinnstein gezerrt. Mögen die Redacteure dafür die Verantwortung auf sich nehmen. Denn daß man eine so wichtige, für Wohl und Wehe unseres Volkes so entscheidende Frage garnicht berühren darf, werden sie höchstens heimlich zu wünschen, nicht öffentlich auszusprechen wagen.

Wer meine Rede wirklich gelesen hat, kann mich vielleicht bekämpfen, wenn er ein Jude oder Judengenosse ist, aber er kann mich nicht anklagen. Nie ist in mehr sachlicher, ruhiger Weise vom Standpunkt christlichen Glaubens das interessante Thema behandelt. Einige Israeliten haben das in ihren Briefen an mich ausdrücklich anerkannt. Um so kläglicher ist der Eindruck, den es macht, wenn Berliner Bezirksvereine unter den Aufreizungen schimpfender Israeliten sich zu der Thorheit verleiten lassen, leidenschaftliche und sinnlose Resolutionen zu fassen. Ja, der Stralauer Bezirksverein hat die Kühnheit gehabt, die Stadtverordnetenversammlung


dagegen; und auch da hat ein großer Theil der Versammlung sich den Ausführungen angeschlossen. Und wenn eine Versammlung von 700 Personen ca. 3 ½ Stunden mit Aufmerksamkeit den Debatten folgt, wollen Sie die ganze Sache in’s Lächerliche und in Casper-Theater umwandeln. Sogar die Bemerkung über Herrn Raup ist falsch! Wohl sagte er: ich bin weder Socialdemokrat noch Jude; ich habe drei preußischen Königen treu gedient, habe mit meinen jüdischen Kameraden nur Frieden gehabt; getheilt haben sie mit mir jeden Bissen, habe sie liebgewonnen und schätze die größte Masse der Juden; Spitzbuben giebt es unter Christen ebenfalls die Menge. Den Nachsatz legen Sie ihm zu. Ein Anderer, seinen Namen kenne ich nicht, auch ein Christ, sein Auge leuchtete wie Feuerkugeln, der schleuderte Herrn Stöcker die von Ihnen angeführten Worte zu. Der von Ihnen niedergeschriebene letzte Satz ist die größte Lüge; denn Herr Stöcker antwortete auf jeden Vortrag und vertheidigte sich, daß wir ihn mißverstanden hätten. – Ist es dann ein Wunder, wenn der Vorstand Ihre Reporter nicht einlassen will? Meinen Gegner kann ich nur bekämpfen, wenn ich ihm Gerechtigkeit zukommen lasse, besonders wo er Anspruch hat, daß wenigstens Wahrheit berichtet wird. Zum Schlusse ersuche ich Sie, als Ehrenmann, in Ihrer nächsten Nummer des Tageblatts, Ihren heutigen Bericht zu widerrufen …
Elias Cohn.
Empfohlene Zitierweise:
Adolf Stoecker: Das moderne Judenthum in Deutschland. Wiegandt und Grieben, Berlin 1880, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stoecker_Zwei_Reden.djvu/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)