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Wenn wir uns wieder sprechen, hoffe ich daß in vielen Dingen mehr Klarheit ist so auch in meiner Arbeit gieb mir einmahl Nachricht von Dir so wie ich die Gelegenheit auch benutzen werde viele grüße von meiner Frau und Schwester an Dich und die Deinigen
Dein getreuer
Otto.     

Sie haben sich nicht mehr wiedergesehen. Runge kränkelte mehr und mehr, und am 2. Dezember 1810 starb er. In Berlin hatten inzwischen die ehemaligen Heidelberger festen Fuß gefaßt und ihre Verehrung der Rungeschen Kunst mitgebracht. Brentano knüpfte von Berlin aus brieflich mit Runge an, was natürlich dem ganzen Freundeskreise, zu dem Reimer gehörte, bekannt wurde. In Kleists Berliner Abendblättern ist dann, aus Brentanos Feder, der sein künstlerisches Werk würdigende und feiernde Nachruf erschienen.

Ich habe die Briefe möglichst so wiedergegeben, wie sie Runge niedergeschrieben hat. Orthographie, Interpunktion, ja selbst Grammatik ist, wie man sieht, nicht ihre starke Seite. Bei manchen Schreibungen fühlt man noch die Einwirkung des Dialektes nach, den Runge sprach. Substantiva wechseln, ohne erkennbaren Anlaß, die großen und kleinen Anfangsbuchstaben; für manche Buchstaben, z. B. für das f, kann nicht entschieden werden, ob sie groß oder klein gemeint sind. All das aber beruht nicht auf Flüchtigkeit bloß in den Briefen an Reimer, sondern vielmehr auf einer Runge eigentümlichen Gewohnheit oder Gleichgültigkeit gegen derartige Dinge. Sieht man nun in die Hinterlassenen Schriften hinein, so erscheinen sämtliche Briefe, Brieffragmente und Schriftstücke in einem durchaus glatten, nach jeder Hinsicht korrekten Text. Es folgt daraus, daß sie von Runges ältestem Bruder, der auch Brentanos Briefe (8, 135) „modificirt“ abdruckte, für die Herausgabe bearbeitet worden sind. Ob aber vielleicht auch umgearbeitet, wie eingestandener und sichtlicher Maßen die beiden Märchen? Davon wird nunmehr die Rede sein.

In dem ersten Briefe an Reimer, 1803, sendet Runge das ihm „versprochene Lied“ mit: er habe es für sich selbst gemacht, und weil ers nicht lassen konnte und niemand hatte, dem er seine Not klagen konnte; das sei aber nun mit Gottes Hülfe alles vorbei. Die Annahme erscheint zwingend, daß Runge das Lied in Berlin Reimer vorgelesen oder ihm davon gesprochen hatte, und auf die Bitte des Freundes erbötig gewesen war, eine Kopie von Dresden aus mitzuteilen. Zum Verständnis des Gedichtes ist nötig zu wissen, daß ihm im Frühjahr 1802 die Hand seiner geliebten Pauline von deren Vater, im Hinblick auf ihre große Jugend, versagt worden war und daß damals keine Aussicht zu sein schien, den Sinn des Vaters zu beugen. Aus der unglücklichen Stimmung heraus, die sich Otto Runges bemächtigte, dichtete er:

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Reinhold Steig: Zu Otto Runges Leben und Schriften. Fromme, Leipzig und Wien 1902, Seite 666. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Runges_Leben_und_Schriften.djvu/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)