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Reichsanzeiger, Dezember 1805, so forderte Brentano in besonders gedruckten Circularen die allerweitesten Schichten des Volkes zur ferneren Mitarbeit an dem Wunderhorn auf. Denn eine schnelle Fortsetzung war ursprünglich in Aussicht genommen und nur der Ausbruch des französisch-preussischen Krieges mit seiner unseligen Spaltung Deutschlands verzögerte sie bis zum Jahre 1808. Brentanos Circular (Arnim und Brentano S. 177 abgedruckt) wurde im Juni 1806 versandt. Vorzüglich, besagt es, wäre auf Lieder zu achten, welche die Kunstsprache mit dem Namen Romanze oder Ballade bezeichnet, d. i. in welchen irgend eine Begebenheit dargestellt wird, Liebeshandel, Mordgeschichte, Rittergeschichte, Wundergeschichte etc., je älter und einfacher, je grösser der Gewinn; weiter scherzhafte und elegische Volkslieder, Spottlieder, charakteristische Kinderlieder, Wiegenlieder etc.; und könne von manchen die vortreffliche Melodie mitgewonnen werden, so seien die Lieder doppelt wert. Die hier angegebenen Gesichtspunkte sind für die Sammelarbeit der Frau Pattberg die massgebenden geblieben. Sie richtete, aus Anlass des Circulares, folgenden Brief an Clemens Brentano:

Neckarelz den 5ten Juli 1806.     

Ihre Auffoderung an die Freunde der alten Vaterländischen Volksgesänge kam mir vor kurzem zu Gesichte. Ich würde mich freuen, wenn Sie unter denen, die ich Ihnen hier beischliese, wenigstens einige für Ihr Unternehmen brauchbar fänden, und mit Vergnügen würde ich es mir zum Geschäft machen, Ihnen noch mehrere zu verschaffen.

Mit Hochachtung 
Ihre 
ganz ergebenste Dienerin     
A. Pattberg geb. 
v. Kettner. 

Es lässt sich, worauf auch wenig ankommt, nicht feststellen, welche Lieder diesem ersten Briefe beigelegen haben. Die eigenhändigen Liedermanuskripte der Frau Pattberg, welche ich auf Grund ihrer durch die Briefe gewährleisteten Handschrift aus den Urmaterialien des Wunderhorns herausfinden konnte, bieten bei der völligen Gleichheit ihrer äusseren Form kein unterscheidendes Merkmal dar. Genug, dass mit dem Briefe der erste Schritt zur Teilnahme an den Heidelberger Bestrebungen gethan war. Denn dass Brentano die Korrespondenz aufnahm und ein unmittelbarer Verkehr sich knüpfte, ergiebt sich daraus, dass sie bald darauf auch Mitarbeiterin an der neugegründeten Badischen Wochenschrift wurde. Der Herausgeber derselben war Alois Schreiber, die eigentliche Seele des Unternehmens aber, wenigstens im Anfang, Clemens Brentano.

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Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)