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So hat jedes der drei Völker diese Sage in seinem Volksgesang, als ein Zeugnis seiner Verwandtschaft, da ein Entlehnen offenbar nicht stattgefunden hat.“ Und dieses Urteil wiederholte er, zwar anonym, aber fast wortgetreu und darum jedem Eingeweihten erkennbar, in den Heidelberger Jahrbüchern 1811, S. 143. Er versuchte auch zuerst die sich gleich bleibende Wiederkehr des Lenoren-Stoffes und formelhafter Wendungen aus entfernten Volksgebieten nachzuweisen: ein Verfahren, dem er in den Märchen (1822. 3, 77 und 1856. 3, 75) treu geblieben ist, und das 1836 in den Altdeutschen Blättern (1, 174) durch Wilhelm Wackernagel, 1886 in den Charakteristiken durch Erich Schmidt und neuerdings durch Adolf Hauffen im Euphorien (2, 148. 203 und 3, 133) eine mit dem Anschwellen der hierher gehörigen Litteratur mitschreitende Fortbildung gewonnen hat. Indem Jacob Grimm in der Deutschen Mythologie (4. Auflage 2, 704) das Pattbergische Volkslied als echte Quelle benutzte, that er sein Einverständnis mit Wilhelm in dieser Frage kund.

Welcher Art die Erwägungen waren, von denen sich die Freunde hatten leiten lassen, ersieht man aus einer nicht viel später erfolgenden Erklärung Arnims. Jördens hatte in seinem „Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten“ auch die Notiz des Wunderhorns über die Leonore erwähnt. Eine mit Ki (Karl Justi?) gezeichnete, übrigens Vossisch gesinnte, Recension des Buches in den Heidelberger Jahrbüchern, 1811 S. 736, widersprach dieser Meinung mit dem Bemerken: das Gedicht des Wunderhorns scheine eine spätere, erst nach der Bürgerschen Lenore verfertigte Komposition zu sein. Was Voss wohlweislich zu behaupten sich gehütet hatte, war hier rückhaltlos ausgesprochen worden. Arnim erliess darauf im 21. Intelligenzblatt der Heidelberger Jahrbücher 1811, wahrscheinlich von Frankfurt aus, wo er damals mit seiner jungen Frau sich aufhielt, mit der ihm eigentümlichen Verbindung von Ernst und Ironie nachstehende, über den Recensenten hinweg an Voss gerichtete

Antikritik.

Den Recensenten von Jördens Wörterbuche in den Heidelb. Jahrb. fordere ich auf, die Quelle anzuzeigen, welche ihm bewiesen, dass das, im Wunderhorn unter dem Namen Lenore abgedruckte Lied der bekannten Bürgerschen Ballade nachgebildet sey. Es ist den Herausgebern eingesendet, und da sich alle innere Gründe vereinigten, es sey das in Bürgers Leben bezeichnete Lied, mit jener Notiz begleitet worden. Da mir noch kein Fall vorgekommen, dass ein weiter fortgebildetes Gedicht, wie Bürgers Lenore, das übrigens bei den frühern Dänischen und

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Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/32&oldid=- (Version vom 1.8.2018)