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Was aber die Bruderschaft der Oro betrifft, so sei hier auf einen Irrtum Stevensons hingewiesen. Er bringt die Oro nur in unklare Beziehung zu dem Brauch der Kindertötung und stellt sie mehr als eine der Völlerei und der Verbreitung lockerer Sitten nachstrebende Gemeinschaft mit seltsamen Ordensregeln und Gesetzen hin. Die Oro hatten in Wahrheit das Wohl des Volksganzen auf ihre Art im Auge. Genau wie man nicht annehmen soll, daß nun alle zarten Reize jener Inseln der Korallenriffe und der hochragenden Palmen und der wundervollen blauen Lagunen durch diese notwendige Unsitte gegenstandslos geworden sind. Die Naturschönheiten und Naturschätze bleiben. Es bleibt der intime Zauber einer fremden Wunderwelt mit primitiven, keinerlei Unrecht sich bewußten Menschen, die gerade in ihrer Liebe zu ihren Kindern – und diese Liebe war bei den Marquesanern besonders stark ausgeprägt und führte zu schlimmsten Kämpfen mit der Autorität der Häuptlinge, Dorfältesten und hauptsächlich mit den Oro – die tiefe Tragik jener kleinen Völker aufweisen, die, auf ihren Inseln zusammengedrängt und ohne Möglichkeit der Auswanderung, sich der bitteren Zwangslage gegenübersahen, das zu vernichten, was sie liebten und hüteten und pflegten und verzärtelten – – reineren Herzens vielleicht, als so manche europäische Mutter.


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W. von Neuhof: Stürme um Kap Marga. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1934, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:St%C3%BCrme_um_Kap_Marga.pdf/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)