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widerspruchsvollen Geheimbundes auf den Südsee-Inseln gegeben hat, war allein und hilflos den Schrecken der Erinnerungen dieser Nacht ausgesetzt.

Weinend und geschüttelt von einem besinnungslosen Schluchzen rief sie sich glücklichere Bilder vor Augen und suchte Trost in den Gedanken an eine heiße, stürmische und doch wundervoll zarte Liebe, die der Mann sie gelehrt hatte, der nun dort an der Nordküste ahnungslos auf sie warten mochte – vergebens! Sie durfte ja nie mehr in jene zauberhafte Einsamkeit zurück, sie hatte zugleich mit dem Eide der ewigen Keuschheit entsetzliche Pflichten[1] übernommen, die weit grausamer und härter waren, als nur Tiere zu töten.

Sie weinte und dachte nur an den Fremden, den sie vor Monaten in einer finsteren und von Orkanen durchtobten Gewitternacht als einzigen Überlebenden einer großen Brigg am Strande bewußtlos aufgelesen und in eine nur ihr bekannte Höhle unweit ihrer Hütte geschleppt hatte, damit er dem Geschick all der Unglücklichen entginge, die an diesen Strand der ärgsten Menschenfresser der Südsee gespült wurden.

Dann merkte sie, daß ihre niedere Bettstatt aus fein geschnitzten Pfosten sich bewegte. Im Lichte des auf dem Herde langsam erlöschenden Feuers erkannte sie ihren weißen Geliebten.

Allan Mac Gory, einst Matrose auf der Brigg Scotia, nunmehr ein scheues Wild, das sich tagsüber in der Höhle hatte verbergen müssen und nur nachts die ganze Süße der schrankenlosen Liebe eines wahrhaft gütigen Naturkindes ausgekostet

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W. von Neuhof: Stürme um Kap Marga. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1934, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:St%C3%BCrme_um_Kap_Marga.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)