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ebenfalls gemeinschaftlich besorgt. Als Völkel, die Antikensammlung zu reklamiren, nach Paris gesendet wurde, blieb mir die Verwaltung der Bibliothek, selbst die Auswahl der anzukaufenden Bücher, eine geraume Zeit allein überlassen. Nach Strieder’s Tod, der schon im Jahre 1815 erfolgte, würde ich vorgerückt seyn, aber mehr werth als eine Beförderung, war mir die Hoffnung, daß mein Bruder, der die diplomatische Laufbahn aus mehr als einem Grunde zu verlassen sehnlich wünschte, die Stelle erhalten könnte. Wir waren bisher nie getrennt gewesen und entschlossen, so lange es in unsern Kräften stehe, beisammen zu bleiben, aber ein solches gemeinschaftliches Amt erfüllte unsern liebsten Wunsch. Fast gegen Erwartung wurde die Bitte gewährt. Dankbar haben wir die glückliche Zeit genossen, wo wir eine willkommene und belehrende Beschäftigung in dem pünktlich verwalteten Amte fanden, daneben Muße zum Studieren und zur Ausführung mancher literärischen Pläne. Wir dachten nicht, daß wir je diese Stellung aufgeben würden, und Anträge, dieses zu thun, selbst solche, die uns nicht getrennt haben würden, wie viel glänzender auch die äußere Lage dabei gewesen wäre, haben wir ohne langes Bedenken abgelehnt. Wir haben sie auch niemals benutzt, um eine Gunstbezeugung außer der gewöhnlichen Ordnung zu veranlassen, und hegten keine andere Hoffnung, als daß wir einmal in beide Bibliothekarstellen mit dem damit bisher verbundenen, mäßigen Gehalte eintreten würden, auf den unsern Vorgängern wohl ohne Ausnahme bewilligten höhern Rang und Titel machten wir weder Rechnung noch Anspruch. Daß diese, wie ich glaube, nicht unbescheidene Hoffnung, die in der Regel Jedem erfüllt wird, auf dessen Leben und Amtsführung kein Tadel haftet, uns getäuscht hatte, zeigte sich, als nach Völkel’s Tode, dessen Stelle einem Gelehrten übertragen wurde, dem anderweitige Beschäftigungen vielleicht eben so wenig als seine Neigung gestattet hatten, sich irgend mit bibliothekarischen Arbeiten zu befassen. Ich bin 14 Jahre bei der Bibliothek gewesen und hätte, wenn ich nach der allgemeinen Sitte die französische Zeit hinzurechne, 21 Jahre im Dienste seyn können. Bei der Bibliothek war in dieser Zeit das ganze Personal, das ich bei meiner Anstellung gefunden, gestorben. Verlassen habe ich sie am 2ten Nov. 1829.

Ich bin seit dem 15ten Mai 1825 verheirathet mit Henriette Dorothee Wild, und habe niemals aufgehört, Gott für das Glück und Segensreiche der Ehe dankbar zu seyn. Ich habe meine Frau schon als Kind gekannt, und meine Mutter hat sie als ihr eigenes geliebt, ohne daß sie dachte, sie könnte

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Wilhelm Grimm: Selbstbiographie. Chr. Garthe, Marburg 1831, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Selbstbiographie_(Wilhelm_Grimm).pdf/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)