Je näher ich die Menschen kennen lerne, um so mehr muß ich diese unglücklichen Geschöpfe bedauern. Nur das nehmen sie wahr, worauf sie direkt ihre Sinne richten, und wie eng begrenzt sind diese! Der Erdboden, der Träger alles Weltlebens, verschließt ihnen seine unendlichen Feinheiten, bis zu denen ihre blöden Augen nicht hinabreichen. Und selbst wenn sie es thäten, wie wenig könnten sie unterscheiden! Denn all’ die mannigfaltigen, die schnellsten Kräuselungen des Äthers gehen spurlos an ihren groben Nerven vorüber. Sie fühlen nicht den magnetischen Pulsschlag der Erde, nicht die Krystallisationskraft der Stoffe, nicht die Verwandtschaft der Säfte und die Spannungen der Pflanzenzellen, das Gras hören sie nicht wachsen und die Musik der sich teilenden Spaltpilze ist ihnen versagt. Nur im betäubenden Tageslicht vermögen sie ihren Pfad zu finden, und achtlos stampft ihr breiter Fuß über die Wunder der Schöpfung. Ihr Kopf ragt hinein in die hohle, gestaltlose Luft, in welcher kein Unterschied und kein Gebilde zu erkennen ist. Welch’ feine Symbolik der Natur liegt schon hierin, daß der Mensch den Kopf aufgerichtet hält im leeren Nichts, die Ameise aber ihn gesenkt trägt zum lebensvollen Boden, dem Wohnplatze der Uremsenheit. Und während wir hier den Gesetzen des Lebens nach sicherer Leitung folgen, irrt der Mensch, ein beklagenswertes Einzelwesen, in ewiger Unbestimmtheit umher, von schwankenden Instinkten getrieben! Einer ihrer größten Führer hat gesagt: „Zwei Dinge erfüllen
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/96&oldid=- (Version vom 20.8.2021)