Art zu sein wie die neulich gefundene Haarlocke. Mit Hilfe des Schalltasters hoffte ich ihr Gespräch zu verstehen, aber ich konnte nur so viel wahrnehmen, daß sie mehrmals sagte: „Nein, nein — wir dürfen uns nicht wiedersehen.“ Der Mensch ging darauf sehr betrübt fort, gab ihr aber vorher ein Papier, das sie in die Haut steckte, oder vielmehr, wie wir jetzt wissen, in die künstliche Haut, welche die Menschen über die Naturhaut ziehen. Als er fort war, fielen einige Tropfen aus ihren Augen, wobei ich in größte Lebensgefahr geriet, weil sie sich über Gesicht und Haar strich. Dann setzte sie sich unter einen Baum und hielt das Papier vor ihre Augen. Endlich ließ sie es in den Schoß sinken und saß lange unbeweglich davor. Nun zwackte ich sie in den Hals. Sie sprang auf, das Papier fiel herab, und der Wind trug es in ein Gebüsch, wo sie es nicht wieder erreichen konnte. Die Arbeiter, welche schon Verstärkung geholt hatten, waren bei der Hand und 200 Mann schleppten das Papier in den Bau. Wir mußten das Menschenmuseum erweitern. Auf dem Papier stand ein Gedicht, das wir mit Hilfe einiger von der Expedition zurückgekehrten Gelehrten übersetzten. Es lautet:
Eine Herrin hab’ ich mir erkoren,
Lieb’ und Lieder sind ihr zugeschworen!
Ihres Auges Winke sind Befehle
Und ihr Lächeln Sonnentrost der Seele.
Worte, die von ihren Lippen schweben,
Müssen weiter mir im Herzen leben.
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/94&oldid=- (Version vom 20.8.2021)