flatternde Seelen, die ihr umherschwebt als Sonnenstäubchen; wie ich sie liebte, so hütet sie zärtlich! Und ihr Windgötter, hohe Gewalten, die ihr die Seelen der Geschiedenen bewegt im Luftkreise, ehrwürdige Tritopatoren, die ihr sie zurückführt, damit sie geboren werden zu neuem Erdenleben, schützt sie, die Seele meiner Chloris, gebt ihr dereinst eine glücklichere Mutter als mich, die Einsame!“
Sie verhüllte ihr Antlitz mit dem Schleier und schritt die Stufen hinab, weinend.
Das Sonnenstäubchen aber merkte, daß ihm die geheime Macht gegeben war, die Seelen der Menschen emporzuziehen und zu erfüllen mit Sehnsucht nach dem, was ihnen lieb war, und heiligen Schmerz um das Verlorene in die Herzen zu streuen. Stolz hob es sich im Lichte, aber die Sonne ging hinter die Berge, sein kurzer Glanz erlosch, und es stieß an eines der Weihgefäße, die im Tempel standen. Zum Unglück geriet es in eine Randverzierung, darin noch ein Tröpfchen Wein im Eintrocknen begriffen war, und dort blieb es kleben.“
„Das kommt davon,“ sagte Lenore und schnappte das Schloß ihres Reisetäschchens zu, womit sie gespielt hatte. Richard sah sie enttäuscht an. Wie schön war sie und wie gleichgiltig ruhten diese Züge!
„Das kommt davon,“ wiederholte er leise.
„Ihr Stäubchen mag sich übrigens trösten,“ begann sie wieder, „an Wein und Gold sind schon Bessere kleben geblieben.“
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/29&oldid=- (Version vom 21.8.2021)