Und sie blies leise über den Griff ihres Sonnenschirms hinweg.
„Wer nicht mit den Dingen lebt, die ihn umringen, wer sich nicht Eins fühlt mit dem geheimen Weben, welches das große All in ewigem Zusammenhange durchflutet, dem wird nur zu leicht auch jedes freiere Streben der Menschen leer und nutzlos erscheinen, soweit es ihm nicht die eigenen Zwecke fördert —“
„Um Gottes Willen, keine Predigt — ich glaube, ich habe Sie schon oft darum gebeten. Lieber erzählen Sie, was Sie an dem Stäubchen oder Körnchen so Absonderliches finden.“
„Ich denke mir,“ begann Richard nach kurzem Besinnen, „weit im sonnigen Süden auf hohem Bergesrücken einen kahlen Felsblock. Ein zartes Glimmerblättchen schmiegt sich an ein Quarzkörnchen, das neben ihm einstmals aus gährendem Mutterschoß der Erde erstarrt war. Weithin schauten sie über die Lande und hinab in die schattigen Haine von Lorbeer, Myrte und Oliven, in welchen die weißen Tempelsäulen ragten und Menschen schritten in Festgewändern. Das Glimmerblättchen sehnte sich hinaus in die Freiheit. Wenn die Musen ihren Reigen führten auf ihrem heiligen Berge und es ihrem Sange lauschte vom Leide der Götter und der Menschen, da wäre es gern hinabgeschwebt, mit ihnen die Herzen zu rühren und sie nach sich zu ziehen im Streben nach dem Unerreichlichen, nach dem Unerfüllbaren, welches das Ewige ist. Aber aus alter Gewohnheit haftete es an dem Quarzkörnchen, und das Quarzkörnchen
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/27&oldid=- (Version vom 21.8.2021)