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weder ja noch nein; wird bei Wahlen sehr verlangt. Hier haben Sie die Kategorie der Möglichkeit, bei Theologen stark gefragt, und ihre Zwillingsschwester, die Unmöglichkeit, welche namentlich bei juristischen Verteidigern beliebt ist. Doch jetzt kommen wir zu den Gefühlen.“ Er öffnete eine Büchse voll dunkler, schleimiger Kügelchen.

„Das ist ja Kaviar,“ sagte Schulze.

„Es sieht so aus, aber es sind die präparierten Gefühle und Stimmungen. Sehen Sie näher zu, so erkennen Sie in jedem dieser kleinen Bläschen eine Art von Physiognomie. Sie sind freilich sozusagen niedere Organismen des Seelenlebens, aber eben darum die breite Basis des menschlichen Daseins. Glatt und schlüpfrig sind sie alle, denn unbeständig glitschen sie durcheinander. Sie denken, Sie haben die Freude in der Hand, und wenn Sie recht zusehen, ist es der Ärger. Übrigens hat man sie nummeriert — hier ist das Verzeichnis — denn es giebt ihrer zu viele. Ich verkaufe sie nicht einzeln, weil sie sich nur im ganzen halten; würde mir auch niemand den Schmerz, den Trübsinn, die Bosheit, den Kummer, den Hunger und die Ungemütlichkeit abnehmen wollen. Doch die Zeit drängt. Mit den Charaktereigenschaften will ich Sie daher nicht aufhalten, man findet sie heute nirgends rein. Aber dies müssen Sie noch sehen, das sind die Ideale.

„Die Ideale? Aber das sind ja Flüssigkeiten; ich hätte den Inhalt dieser Fläschchen für Likör gehalten.“

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Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/165&oldid=- (Version vom 20.8.2021)