„Es ist die Kategorie der Negation,“ sagte der Psychotom, „ich sah, daß sie Ihnen das Verständnis meiner Auseinandersetzungen erschwerte, deshalb entfernte ich sie. Die wohlthätige Wirkung wird nicht ausbleiben.“
„Aber erlauben Sie ...“
„Bitte, Herr Doktor, Ihr Bedenken ist nur noch eine Nachwirkung, der Zweifel wird sogleich aufhören. Befürchten Sie nichts, ich setze sie Ihnen wieder ein; inzwischen stärkt sie sich, denn Tinte ist ihr Lieblingsgetränk. Doch hören Sie weiter. Es ist Ihnen bekannt, daß die Gehirn-Physiologie zu keinen sicheren Resultaten kommt. Wir haben daher einen andern Weg eingeschlagen, wir sezieren das Bewußtsein selbst. Man muß die logischen Abstraktionen nicht bloß denken, sondern man muß sie realisieren, personifizieren. Das sei nichts Neues, wollen Sie sagen, das habe schon Plato gethan. Aber hat er sie greifbar dargestellt, daß man mit ihnen umgehen kann? Mythologisch ja, aber nicht anschaulich. Sehen Sie, das ist das Problem: Auch die Funktionen des Bewußtseins müssen in der räumlichen Anschauung dargestellt werden, aber nicht, indem man das Gehirn zerstört, wie die Physiologen, sondern indem man die lebendige Wirkung in lebendigen Präparaten entwickelt. Es ist wahr, auch wir, die Psychotomen, können die Resultate unserer Zergliederung nur als sinnliche Dinge aufzeigen, aber unsere Produkte sind nichts Unverständliches und Totes, sondern sie bewahren die charakteristische Eigenschaft des Bewußtseins, ein selbständiges, lebendiges Ich zu bleiben. Unsere Präparate
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/161&oldid=- (Version vom 20.8.2021)