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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

der Mann, zu dem man kam. Wenn nichts mehr helfen konnte, sollten sein Rat, seine Vorstellungen, seine Fürsprache noch Hilfe schaffen.

So schmähen wir das Amt nicht, wenn es auch von tausend Hindernissen umgeben war, die kein Träger des­selben entfernen konnte. Hier gab’s keine kirchliche Behörde, die etwelche Macht gehabt hätte, keine Landesregierung, deren Wort etwas ausrichten konnte. Je mehr des Herzogs Ansehen sank, je mehr der polnischen Ober­herrschaft Stern erblich, desto mehr war jeder freier Herr auf seinem Grund und Boden.[1] Wider seinen Willen etwas Gutes durchsetzen wollen, war fast ebenso unausführbar, wie es leider oft unmöglich war, ihn für irgendeinen Fortschritt selbst zu gewinnen. So blieb denn nicht selten nur ein geduldiges Warten übrig, eine Hoffnung auf einen günstigen Personenwechsel; — denn an der Person hing alles.

Daß unter so vielfach erschwerten und unerfreulichen Verhältnissen, wie wir sie eben geschildert haben, bei unserem Großvater die Neigung zu einer andern, schon liebgewonnenen und hoffnungsreicheren Wirksamkeit, der pädagogischen, aufs neue hervortrat, wird uns nicht Wunder nehmen. Er hatte seine Lebensgefährtin gefunden. Es war die Tochter eines Kaufmanns in Libau, Louise Lahmann. Daß es ein rechter Herzensbund war, der hier geschlossen ward, mag der geneigte Leser daraus entnehmen, daß der überglückliche Bräutigam, wie er später selbst lächelnd gestand, von einem Stuhl zum andern sprang, als er das Jawort erhalten hatte. Und noch in andrer

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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/98&oldid=- (Version vom 15.9.2022)
  1. Ein paar Lebensbilder aus etwas späteren Tagen, die ich in Kap. 6 und 7 folgen lasse, werden das Gesagte, wie ich hoffe, noch anschaulicher machen, zugleich aber auch das Aufdämmern einer bessern Zeit schildern.