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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

Ich werde dir zu Ehren alles wagen,
Kein Kreuz nicht achten,
Keine Schmach noch Plagen,
Nichts von Verfolgung, nichts von Todesschmerzen
Nehmen zu Herzen.

„Dies muß ich nun praktizieren,“ war sein letztes Wort; darauf fiel der Todesstreich.

So schwer war freilich nicht des alten Magisters letzter Gang, aber ein Marterbette war sein Krankenlager doch. War’s, daß er nur aufgerichtet noch Luft zu schöpfen und zu sprechen vermochte, oder was es sonst war, das ihn dazu bewog, kurz, – nachdem er sich wie ein rechtschaffe­ner Jünger Jesu zum Tode gerüstet hatte und den letzten Augenblick nahen fühlte, verlangte er aus dem Bette her­aus und auf die Füße gestellt zu werden. „Stehend,“ sagte er, „habe ich oft genug meinen Heiland im Leben bekannt; stehend will ich auch sterben.“ Wer konnte dem Sterbenden den letzten Wunsch versagen, so undurchführbar er auch schien! Zwei Amtsbrüder, die an seinem Bette standen, nahmen ihn unter die Arme und hielten ihn auf­recht. Da stimmte der Sterbende noch mit der letzten An­strengung an:

Valet will ich dir geben,
Du arge, falsche Welt,
Dein sündlich böses Leben
Durchaus mir nicht gefällt.
Im Himmel ist gut wohnen,
Hinauf steht mein Begier,
Da wird Gott ewig lohnen
Dem, der ihm dient allhier.
               u. s. w.

Aber er brachte das Lied nicht zu Ende. Seine Stimme versagte, sein Auge brach. Die Anwesenden sangen das Lied bis zum Schluß; die Amtsbrüder legten ihn ins Bett

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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/75&oldid=- (Version vom 13.9.2022)