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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland



9. Friedrich und Dorothee.




Es wäre undankbar von mir, wenn ich diese Erinne­rungen schlösse, ohne meinen lieben Eltern ein eignes Ka­pitel gewidmet zu haben. Sie haben’s um uns Kinder reichlich verdient, und einer oder der andere der freundlichen Leser hat vielleicht soviel Interesse an diesen harmlosen Aufzeichnungen gewonnen, um sich auch noch dieses letzte Blatt gefallen zu lassen.

Mein Vater war also, wie es die Großmutter so innig ersehnt, richtig aus des alten Pastors Reimer Hause auf das Dörptsche Gymnasium und auf die Universität gekommen. In den denkwürdigen Jahren der Befreiungskriege hatte er dort seine Studien beendigt. Aber aller Fleiß konnte dem geistlosen Rationalismus eines Hezel[1] und anderer und gleichgesinnter Professoren keine große Förderung abgewinnen. Erst Ewers schlug einen bessern Ton an. Auch die Philosophie war, wenn auch nicht unwürdig, doch ziemlich einflußlos vertreten. Schleiermachers epochemachende Anregung war noch nicht so weit gedrungen. Wären nicht die Geistesschätze unserer großen Dichter den jungen Theologen

  1. Bekannt außer seinen unzähligen Grammatiken, durch seine fast komische Übersetzung des Neuen Testaments, die den heiligen Schriftstellern durchaus die „Aufklärung" des 18. Jahrhunderts oktroyieren wollte, durch Schriften über Pisé-Bau etc., wenn ich nicht irre, sogar über Rumfabrikation.
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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/196&oldid=- (Version vom 19.9.2022)