Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland | |
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Faulenzer wohl auch zu: „Was hockst du da wie ein Pogg’ im Mondschein!“[1] Überhaupt war sie um ein treffend, schlagend Wort nie verlegen und an malerisch veranschaulichender Zuthat hatte sie keinen Mangel. Es war ein Zeichen günstigerer Stimmung, wenn sie solche aus dem alten Gesangbuch entnahm, und z. B. den Träumer, den Nichtsthuer anredete: „Sitzest du schon wieder da wie in praesepio, wie in matris gremio.“[2] Auch auf die heil. Schrift griff sie zuweilen in ihren Anspielungen zurück, wenn auch manchmal nach einer recht absonderlichen Exegese. So rief sie z. B. wenn eins der Kinder aus Trotz oder Neid oder sonst ohne rechtmäßige Ursache weinte, dazwischen: „Wart, wart, ich komm mit dem Tröster!“ In dieser eigentümlichen Bezeichnung der Rute ist die Reminiscenz an die bekannte Schriftstelle von dem Tröster, der die Welt strafen werde (Joh. 16, 8), unverkennbar. Das Regiment, das sie über die Kinder führte, die unter ihrer Hand waren, hatte überhaupt mehr den Charakter der Strenge, als der Milde, wie es denn in jener Zeit auch sonst nicht Mode war, mit den Kindern so viel Federlesens zu machen, wie jetzt, wo das kleine Gesindel nicht selten als der Mittelpunkt angesehen wird, um welchen sich das Haus, wenn nicht gar die ganze Welt drehen
- ↑ „Pogge“ im Plattdeutschen = Frosch. In meiner Großmutter Kindheitszeit wurde das Plattdeutsche noch häufig in den Ostseeprovinzen gesprochen, namentlich in den Seestädten; daher die Reminiscenz.
- ↑ d. i. wie in der Krippe, wie in der Mutter Schoß, aus dem altkirchlichen, wenn ich nicht irre, auch noch in dem alten Rigaschen Gesangbuch sich findenden Weihnachtsliede: In dulci jubilo.
seelzogen; bei Luther so viel wie in den letzten Zügen liegen.
Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/16&oldid=- (Version vom 12.9.2022)