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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

der Frohe,“ fiel einer der Herren dazwischen; „er macht uns tot mit Misère.“

„Das scheint Kagels Leibfarbe zu sein,“ rief eine Stimme aus der Ecke, vom Whisttisch herüber. — „Als seine Fuhren vorige Woche nach Riga an meiner Thür vorübergingen, — wahrhaftig! sie sahen wie die leibhaftige Misere aus; die Pferde Haut und Knochen.“

„Ja, Kagel, ich hab dich auch bewundert,“ rief Hahn vom Sofa; „die Bahn fast abgegangen, ganze Strecken ohne Spur von Schnee, – und du schickst die Leute nach Riga!“

„Ihr habt schön reden,“ erwiderte Kagel; „der infame Schreiber[1], diese Kanaille von einem Lichtzieher, wollt’ mir nicht länger puffen. Ich steh nämlich schon seit andert­halb Jahren mit 1000 Rubel bei ihm in der Kreide und ich muß ihn warm halten; er ist der einzige von den Ker­len, der mir noch auf Lieferung was vorausgiebt. Die andern sind Knicker, einer wie der andre.“

„Aber, auf Ehr’! Kagel,“ rief einer dazwischen, „wenn du deine Bauern so schindest, so wundre ich mich nur, daß sie dir nicht alle davon gelaufen sind.“

„O, dafür ist gesorgt,“ erwiderte lachend der Frohe; „wenn sie auch wollten, – sie können nicht mehr über’n Graben!“

„Seht, er reißt noch Witze!“ rief Henry.

Nach obigem wird es begreiflich, warum der Großvater nur ungern von den Zuständen der Bauerschaft in Pluhmingen und Alt-Wermelshof sprach, und der Vater, wenn er von seinen Hausbesuchen in jenem Gebiet heimkehrte, oft ganz niedergeschlagen und entmutigt war.

Es waren da tiefe Schäden, gegen welche die redlichsten Bemühungen

  1. reiches Handlungshaus, das neben dem Korngeschäft noch eine Seifenfabrik besaß.
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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/155&oldid=- (Version vom 21.9.2022)