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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

„Weiß ich nicht zu leben? Herr Joseph! Werd ich doch die Ehre haben, Sie aufzunehmen, wenn Sie kommen, mit еn Rummchen, wie Sie nicht haben getrunken, – Ihr Lebetag nicht, – etwas Faines, etwas gorre Faines,“ und dabei setzte er die Finger an den Mund und machte eine Miene, als schlürfe er Nektar. „Soll’n auch sein Karten.“

„Gut, so werd ich mich ausbitten zu Sonntag Nach­mittag. Der Herr wird müd sein von der Jagd und Be­such wird keiner sein. Aber wenn kein Tanz ist, so lohnt sich’s nicht, die Füße zu brechen, bis man zu Euch kommt.“

„Soll auch sein Danz, Herr Joseph. Aber ich hätt’ eine kleine Bitte an Sie, Herr Joseph.“

„Na, was denn?“

„Sie wissen, hab ich gebracht voriges Jahr der gnä­digen Frau das perlgraue seidne Kleid aus Memel. Wahr­haftig, war mir schwer, es zu schmuggeln; hätten mir bei­nah die Strandreiters[1] abgerissen den Kopp, – und hab ich selbst bezahlt bare 40 Rubel, – und hab nicht gekriegt nicht einen Kopechen von der gnädigen Frau, hab auch nicht derfen sagen dem Herrn Baron. Soll kriegen das Geld, wenn die Butter verkauft ist. Kann ich doch lange warten auf die Butter; denn die Kühe stehen auf Stroh![2] Wollt’ ich Ihnen bitten, mer zu sagen, wenn die gnädige Frau wieder Geld hat, daß mer können kommen erinnern.“

„Na, das wird wohl nicht eher sein, als bis der Bru­der kommt.“

„Welcher Bruder?“

„Ach, der General! Hat sie ihn doch gut gemelkt, als er hier war vor zwei Jahren, — und wird ihn wieder melken, – wenn er nicht Angst gekriegt hat, überhaupt zu kommen.“

  1. Zollwächter.
  2. d. h. werden nur mit Stroh gefüttert.
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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/142&oldid=- (Version vom 21.9.2022)