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 Auf den Aussagen des Propheten Daniel beruht nun die Belehrung des Apostels Paulus im 2. Kap. des 2. Briefes an die Thessalonicher. Es begegnen uns da auf Schritt und Tritt Züge, die uns von Daniel her bekannt sind, zum Teil aber geht der Apostel über Daniel hinaus oder wird deutlicher. Er schildert den Antichrist nach seiner sittlichen Beschaffenheit als die leibhaftige Darstellung der Sünde, als die schlechthinige Verneinung des göttlichen Gesetzes, als den vollendeten Widersacher Gottes, der sich setzt wider alles, was Gott oder Gottesdienst heißt. Aber das sind nicht die einzigen Kennzeichen, die er an sich trägt; er trägt auch an sich das Kennzeichen der Folgen der Sünde, nämlich das Verderben: „Kind des Verderbens“ nennt ihn der Apostel gleichfalls. Sünde und Verderben der Sünde wird an ihm im höchsten Maße offenbar sein.

 Etwas Neues aber bringt der Apostel über ihn, nämlich dies, daß er sich selber göttliche Ehre anmaßt und göttlich sich verehren läßt.

 Wie im Propheten Daniel so wird auch hier vom Apostel die Erscheinung des Antichrists zurückgeführt auf ein göttliches Strafgericht. Wenn der allgemeine Abfall vom Evangelium eingetreten ist, dann erscheint er, und seine Erscheinung ist mit solchen Umständen begleitet, daß sie von der abgefallenen Welt aufs willigste angenommen wird. Die Kräfte des Satans werden mächtig sein, Zeichen und Wunder werden geschehen, und allerlei Betrug der Ungerechtigkeit wird betäuben diejenigen, welche der Wahrheit sich nicht hatten zuwenden wollen; so müssen sie der Lüge glauben und werden dadurch für ihre Lust, die sie an der Ungerechtigkeit hatten, bestraft und gerichtet.

 Wir haben also beim Auftreten des Antichrists mit außerordentlichen und wunderbaren Ereignissen zu rechnen, und es läßt sich wohl denken, daß jene wunderbaren Ereignisse mächtig genug sind, bei der Welt allen Zweifel niederzuschlagen und ihr alle Besinnung zu rauben.

 Man gewinnt aus 2. Thess. 2 den Eindruck, daß die Persönlichkeit des Antichrists zur Zeit, da der Apostel dies schrieb, nicht erst geschichtlich erweckt werden mußte, nicht eine ausschließlich der Zukunft angehörige Erscheinung sei, sondern daß sie damals bereits vorhanden war. Der Apostel spricht ja von einer Offenbarung desselben: offenbart werden aber kann bloß Vorhandenes. Es ist der Rat des Satans, der in dem Antichrist beschlossen ist, auch ein Geheimnis; denn wer von den Menschen hätte je erkannt, wo die sündige Entwicklung schließlich hinauswolle, und wer hätte sich davor nicht entsetzt? Der Apostel kann auch bereits Wirkungen, die von diesem Geheimnis der Bosheit ausgehen, deutlich erkennen und wahrnehmen, ja es könnte überraschend schnell hervorbrechen, wenn nicht noch eine aufhaltende Macht vorhanden wäre. Unter der aufhaltenden Macht hat man den Bestand der gesetzlichen Ordnungen