Rösch. Sieh mich doch recht an Willhelm! lebst du denn wirklich? bist du nicht todt?
Willh. Ich lebe, liebes Mädchen! glücklich, daß du nun wieder in meinen Armen bist,
Kant. Bin ganz wirblich, Kinder werd’ euch über den Anblik wieder zum zwanzigjährigen Jungen
Pöll. Und ich steh da, und wische mir die hellen Tropfen von Augen. Seht nur die Mutter dort, – seht nur hin, weint euch recht aus, gutes Weib! Ihr habt des Jammers genug gehabt; aber ich denk auch, es sollen die lezten Thränen seyn.
Marg. Freude u. Schmerz – und Schmerz und Freude – dank dem da oben, der hat unsre Thränen gezählt! betet um seinen ferneren Seegen.
Lieschen. Und mich läßt man so dastehn, und vergißt meiner ganz; und ich habe doch auch so viel geweint, und freue mich jezt so herzlich.
Willh. küßt sie) Gutes Kind!
Rösch. Und nun Willhelm! will ich dich fest halten; du sollst ohne mich nirgends mehr seyn: Sieh! so fest will ich dich halten; und käme dann wieder so eine schreckliche Sündflut, so sollen die gewaltigen Wellen mich mit dir begraben!
Kant. Das verhüte der Himmel!
Willh. Was soll ich dir alles sagen, Liebe! Es sind zwey merkwürdige Standpunkte meines Lebens – jene schauervolle Nacht unsrer Trennung und dieser schöne Morgen des Wiedersehens. Er wird uns oft das Andenken überstandener Leiden, und namenlose Gefühle des innigsten Entzückens zurückrufen, und wir werden sie segnen diese Stunde der Wiedervereinigung.
Franz Philipp Adolph Schouwärt: Die Ueberschwemmung. , Frankfurt am Mayn 1784, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schouw%C3%A4rt_%E2%80%93_Die_Ueberschwemmung_(1784).djvu/94&oldid=- (Version vom 24.10.2016)