„Frage nicht“, sprach nun die Zurückbleibende zu Fridolin, „und wundere dich über nichts. Ich versuchte sie irrezuführen, aber ich sage dir gleich: auf die Dauer kann es nicht gelingen. Flieh, ehe es zu spät ist. Und es kann in jedem Augenblick zu spät sein. Und gib acht, daß man deine Spur nicht verfolgt. Niemand darf erfahren, wer du bist. Mit deiner Ruhe, mit dem Frieden deines Daseins wäre es vorbei für immer. Geh!“
„Seh’ ich dich wieder?“
„Unmöglich.“
„So bleib’ ich.“
Ein Zittern ging durch ihren nackten Leib, das sich ihm mitteilte und ihm fast die Sinne umnebelte.
„Es kann nicht mehr auf dem Spiel stehen als mein Leben,“ sagte er, „und das bist du mir in diesem Augenblick wert.“ Er faßte ihre Hände, versuchte sie an sich zu ziehen.
Sie flüsterte wieder, wie verzweifelt: „Geh!“
Er lachte und hörte sich, wie man sich im Traume hört. „Ich sehe ja, wo ich bin. Ihr seid doch nicht nur darum da, ihr alle, damit man von euerm Anblick toll wird! Du treibst nur einen besondern Spaß mit mir, um mich völlig verrückt zu machen.“
„Es wird zu spät, geh!“
Er wollte sie nicht hören. „Es sollte hier keine verschwiegenen Gemächer geben, in die Paare sich
Arthur Schnitzler: Traumnovelle. Berlin, S. Fischer 1926, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schnitzler_Traumnovelle.djvu/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)