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viel dauerhafter durch den wohlthätigen Zwang der Noth als vormals durch die feyerlichsten Verträge verbrüdert! Den Frieden hütet jezt ein ewig geharnischter Krieg, und die Selbstliebe eines Staats sezt ihn zum Wächter über den Wohlstand des andern. Die europäische Staatengesellschaft scheint in eine große Familie verwandelt. Die Hausgenossen können einander anfeinden, aber nicht mehr zerfleischen.

Welche entgegengesezte Gemählde! Wer sollte in dem verfeinerten Europäer des achtzehnten Jahrhunderts nur einen fortgeschrittnen Bruder des neuern Kanadiers, des alten Celten vermuthen? Alle diese Fertigkeiten, Kunsttriebe, Erfahrungen, alle diese Schöpfungen der Vernunft sind im Raume von wenigen Jahrtausenden in dem Menschen angepflanzt und entwickelt worden; alle diese Wunder der Kunst, diese Riesenwerke des Fleisses sind aus ihm heraus gerufen worden. Was weckte jene zum Leben, was lockte diese heraus? Welche Zustände durchwanderte der Mensch, bis er von jenem Aeussersten zu diesem Aeussersten, vom ungeselligen Höhlenbewohner – zum geistreichen Denker, zum gebildeten Weltmann hinaufstieg? – Die allgemeine Weltgeschichte giebt Antwort auf diese Frage.

So unermeßlich ungleich zeigt sich uns das nemliche Volk auf dem nemlichen Landstriche, wenn wir es in verschiedenen Zeiträumen anschauen! Nicht weniger

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? In: Der Teutsche Merkur. 4. Bd., 1789. S. 105-135. [Hofmann], Weimar 1789, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Universalgeschichte.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)