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Wo solcher Uebermuth von den Repräsentanten der Souveränetät zur Schau getragen wird, kann man freilich Aufruhrsgedanken nicht übel nehmen!

Und doch ist dieses so hochmüthige Herz der Liebe zugänglich, hatte eine wahre und echte Empfindung, aber wenn die Liebe und das Glück edle Naturen noch grossmüthiger machen, so haben sie bei gemeinen die Wirkung des Rausches: sie erhöhen die schlechten Eigenschaften. So wird unsere schöne Julia, als sie Fiesco’s Liebe sicher zu sein glaubt, von einer wahren Wuth der Ruhmredigkeit geplagt; rachsüchtig von Haus aus, will sie jetzt ihre Triumphe über die Gegnerin sofort geniessen. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, dass die Glieder des schönen Geschlechts, so viel Esprit de corps sie auch besitzen, doch im Grunde ganz ausnehmend wenig Wohlwollen füreinander haben und sich in der Regel überraschend richtig beurtheilen, soweit dies eben bei so wenig Neigung möglich ist. So findet selbst die rohe Julia bald heraus, dass für den perfiden Fiesco eigentlich eine weniger empfindsame, mehr kokette und witzige Natur noch besser passen würde, worin sie wol recht haben mag; Leonore findet freilich noch schneller, dass diese Qualitäten in Gräfin Julia keineswegs ihren Culminationspunkt erreichen. Da die Damen sich einander auch ohne viele Umschweife zu gegenseitigen Vertrauten dieser Reflexionen machen, so ist es natürlich, dass sie mit merklich verminderter Zärtlichkeit voneinander scheiden, jetzt erst recht Todfeindinnen sind. Bei dem heissen Blut einer Italienerin ist’s aber von einer Todfeindschaft gegen die Nebenbuhlerin bis zum Versuche, dieselbe wirklich aus dem Wege zu räumen, keineswegs ein so weiter Weg, und vor dreihundert Jahren, wo das Vergiften ohnehin noch mehr in der Mode war als jetzt, war er noch kürzer. Fiesco’s Entsetzen, als er diesen Beweis von Julia’s Liebe zu ihm erhält - denn nichts anderes ist es –, däucht uns daher eher ein wenig deutsch. Vielleicht noch mehr ist es die doctrinäre Galanterie, durch die Fiesco die schöne Gräfin bewegt zu ihm zu kommen; diese galante Casuistik:

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/91&oldid=- (Version vom 1.8.2018)