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Fiesco ist ganz Italiener, Aristokrat und Politiker. Er hat das Wortreiche, die Liebe zum Vielreden seines Volks, die das Gutsprechen nicht beeinträchtigt, er hat die Tücke und Verschlagenheit, die Geistesgegenwart und schnelle Fassungskraft desselben. Grossartig und prächtig, dabei unmässig stolz wie der echte Aristokrat, und ausserdem noch ein wenig eitel im Genuss der eigenen glänzenden Persönlichkeit. Der rasende Ehrgeiz, der ihn verzehrt, ist wol mit Lust an der Intrigue, aber auch mit so viel Verachtung der Gefahr gepaart, um dem Helden doch unser Interesse, ja unsere Theilnahme zu sichern.

Am bewunderungswürdigsten ist aber, wie der junge Dichter den politischen Verstand in Fiesco zur Erscheinung zu bringen wusste, auch wenn wir die Reminiscenz an den Menenius und die Scene mit den Bürgern abrechnen, in der ihn unser Bild darstellt:

Die Regierung war demokratisch. . . . Mehrheit setzte durch. . . . Der Feigen waren mehr denn der Streitbaren, der Dummen mehr denn der Klugen. – Mehrheit setzte durch.

Schwarz, mit klugem, durchdringendem Schlangenauge, schlank und hoch von Wuchs, panthergleich lässig und sprungbereit. Charakteristisch ist besonders an ihm das Prächtige, Glänzende des Auftretens, das überall imponirt, ihm die Herzen der Frauen wie des Volks, kurz aller derer erwirbt, die bestochen, nicht überzeugt sein wollen; nicht umsonst sagt er von sich: „Die Blinden in Genua kennen meinen Tritt.“ Der geheimnissvolle Hintergrund, das Undurchdringliche in ihm, das alle die Weiber wie die Staatsmänner an ihm herausfühlen, vermehrt nur seine Macht, denn es reizt und spannt, wie alles Verhüllte. Es spricht nicht für die menschliche Natur, ist aber doch gewiss, dass offene, rückhaltlose, wenn auch noch so geistreiche Menschen es nicht zu dem Einflusse auf die Massen bringen werden, wie arglistige Politiker. Vielleicht liegt dieser Erscheinung der richtige Instinct zu Grunde, dass jene bei ihrer Vortrefflichkeit wol schwierige Plane zu fassen, aber nur schwer durchzuführen vermögen, denn alles Werden soll ins Dunkel gehüllt bleiben.

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)