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Auch meine jungfräuliche Freiheit soll ich,
Mein höchstes Gut, hingeben für mein Volk,
Und der Gebieter wird mir aufgedrungen.
Es zeigt mir dadurch an, dass ich ihm nur
Ein Weib bin, und ich meinte doch regiert
Zu haben, wie ein Mann und wie ein König –

so widert uns doch die Härte an, mit der sie gleich darauf der Bitte um Gnade für Maria aus dem Wege geht; die Heuchelei, mit der sie Burleigh’s Auseinandersetzung der Nothwendigkeit von Maria’s Tod durch einen vorgeblichen Abscheu vor dem Vergiessen alles Blutes beantwortet; die Kälte, mit der sie dennoch gleich darauf Shrewsbury’s Vertheidigung derselben aufnimmt:

Ein warmer Anwalt ist Graf Shrewsbury
Für meine Feindin und des Reichs. Ich ziehe
Die Räthe vor, die meine Wohlfahrt lieben –

und damit ihre eigentliche Gesinnung hinlänglich andeutet.

Nur ein mal sehen wir sie gerührt, als sie Maria’s Brief erhält; und auch da mischt sich Bosheit in die Rührung, wenn sie seufzt:

Was ist der Mensch! Was ist das Glück der Erde!
Wie weit ist diese Königin gebracht,
Die mit so stolzen Hoffnungen begann.

Aber gleich darauf spricht sie richtig das Gefühl der tragischen Nothwendigkeit aus, die sie zur Vernichtung der Gegnerin nöthigt. Während ihr nun der Erfolg deutlich vor Augen schwebt:

Mich immer trifft der Hass der That. Ich muss
Sie eingestehn und kann den Schein nicht retten.
Das ist das Schlimmste! –

empört sie uns aufs höchste durch die Heuchelei, mit der sie ihm entgehen möchte, und die Niederträchtigkeit, mit der sie, während sie Mortimer zum Mord zu stacheln sucht, ihm den Besitz ihrer eigenen Gunst als Lohn für denselben in Aussicht stellt. Mortimer hat ganz recht, wenn er von diesem grenzenlosen Egoismus urtheilt, dass er, da er keiner Hingebung fähig sei, auch keine verdiene.

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/227&oldid=- (Version vom 1.8.2018)