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ELISABETH VON VALOIS.
(Don Carlos.)


Zwang entnervt und entmuthigt schlaffe Gemüther, edle und starke Seelen jedoch werden durch ihn empört und zum Widerstand gereizt; sie lieben dann nur um so reiner und glühender die Freiheit, die ihnen versagt ist.

Dies lehrt uns besonders die majestätische Figur der Elisabeth, welcher vom Dichter eine Feinheit der Charakteristik, ein Reichthum an sicher treffenden Zügen verliehen ist, wie wir ihn bei den frühern Stücken höchstens an dem ganz genreartig gehaltenen Bilde der Geigersfrau in „Kabale und Liebe“ gewahren, während es ihm hier bereits gelingt eine Gestalt voll Hoheit und Seelengrösse mit voller Naturwahrheit zu bilden, um so den ganzen Fortschritt zur Reife, die höhere Lebenserfahrung und genauere Kenntniss des menschlichen Herzens zu zeigen, die er bereits, besonders im Umgang mit Charlotte von Kalb, die damals sein Herz fesselte, gewonnen.

Gleich die Eingangsscene in Aranjuez malt uns mit unübertrefflicher Meisterschaft die schwierige Lage der königlichen Frau, wie die Sicherheit, mit der sie sich in ihr bewegt, und welche überall ein so hervorstechendes Moment ihres Charakters bildet. Die erlauchte Tochter des heitern Frankreich, in den humanen Traditionen des aufgeklärten, Künste und Wissenschaften wie jede Freiheit des Geistes ehrenden Regiments Franz’ I. aufgezogen, kann sich niemals mit der bleiernen Atmosphäre der finstern, bigoten, pedantischen Gravität befreunden, wie sie am Hofe von Madrid jede lebendige Regung erstarren macht, und sehnt sich nach der Luft des Vaterlandes aus

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/130&oldid=- (Version vom 1.8.2018)