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bis der Postillion aufsaß. Als er sah, daß der Postillion im Sattel recht saß und die Peitsche erhob, sagte er: „fahr zu Schwager! Werf er mich nicht um!“ Am nemlichen Nachmittag fuhr auch der Hechinger von Ellwangen ab, und der Postillion dachte bey sich selbst: „Wenn jezt nur mein Camerad von Dinkelsbühl mit dem Fürther auch auf dem Weg wäre!“ Indem er fährt, Berg auf Berg ab, nicht weit vom Segringer Zollhaus, wo dem Hausfreund und seinem Herrn Bruder auch einmal die Haare geschnitten worden sind, begegnen sie einander; keiner will dem andern ausweichen. Jeder sagt: „Ich führe einen honetten Herrn, keinen Pfennigschaber, wie du, dem seine Sechsbatzenstücke aussehen wie Hildburghäuser Groschen.“ Endlich legte sich der Fürther auch in den Streit: „Gott’s Wunder!“ sagte er; „sollen wir noch einmal vierzig Jahr in der Wüste bleiben?“ und schimpfte zuletzt den Ellwanger, daß ihm dieser mit der Peitsche einen Hieb ins Gesicht gab. Der Dünkelsbühler sagt: „du sollst meinen Passagier nicht hauen, er ist mir anvertraut, und zahlt honett, oder ich hau’ den deinigen auch.“ – „Untersteh’ dich und hau mir meinen Herrn!“ sagte der Ellwanger. Also hieb der Dinkelsbühler des Ellwangers Passagier und der Ellwanger hieb des Dinkelsbühlers Passagier, und riefen einander in unaufhörlichem Zorn zu: „Willst du meinen Herrn in Frieden lassen oder soll ich dir den deinigen ganz zu einem Lungenmus zusammenhauen?“ und je schmerzlicher der eine Ach und der andere Weih schrie, desto kräftiger hieben die Postillione auf sie ein, bis sie des unbarmherzigen Spasses selber müde wurden. Als sie aber auseinander waren und jeder wieder

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Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/291&oldid=- (Version vom 1.8.2018)