in des Amtmanns Keller in der verborgenen Garnison lag, hinter dem Schanzkorb, hinter der Sauerkrautstande, war geneigter, Ja zu glauben als Nein. Also ließ er den Amtmann hinaus führen und den Buben herein, und that ein Paar verfängliche Fragens an ihn, sagte ihm aber nicht, daß sie verfänglich sind. Deswegen war der Bursche, so sehr er die Spitzbubenmilch an der Mutter Brüsten eingesogen hatte, mit seinem Ja und Nein so unvorsichtig, daß er in wenig Minuten nimmer links, nimmer rechts auszuweichen wußte und alles gestand. Also bekam er links und rechts fünfzehen Hiebe vom Profos, und begleitete freywillig, die Mutter ins Zuchthaus nach Heiligenberg. Der Amtmann aber aß mit dem Hauptmann Auditor bey dem General Feldmarschall zu Nacht, und den andern Tag bey seiner Frau und Kindern zu Mittag, und der Hausfreund thut auch einen Freuden-Trunk, daß er wieder ein Exempel der Gerechtigkeit statuirt hat.
Hat jede Gegend ihr Liebes so hat sie auch ihr Leides, und wer manchmal erfährt was an andern Orten geschieht, findet wohl Ursache, zufrieden zu seyn mit seiner Heimath. Hat z. B. die Schweitz viel Herdenreiche Alpen, Käse und Butter und Freiheit so hat sie auch Lavinen. Der 12te December des Jahrs 1809 brachte für die hohen Bergthäler dieses Landes eine fürchterliche Nacht, und lehrt uns, wie ein Mensch wohl täglich Ursache hat, an das Sprüchlein zu denken: „Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen.“
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/257&oldid=- (Version vom 1.8.2018)