den Ring wieder an den Finger, und sagte jetzt: „Er ist mir gar nicht feil. Ist der falsche Edelstein so gut nachgemacht, daß ihr ihn für einen rechten haltet, so ist er mir auch so gut,“ und steckte die Hand in die Tasche, daß der lüsterne Israelit den Stein gar nicht mehr sehen sollte. – „Acht Dublonen.“ Nein. – „Zehn Dublonen.“ Nein. – „Zwölf – vierzehn – fünfzehn Dublonen.“ „Nun denn, sagte endlich der Fremde, „wenn ihr mir keine Ruhe lassen, und mit Gewalt wollt betrogen seyn. Aber ich sage es euch vor allen diesen Herren da, der Stein ist falsch, und ich gebe euch kein gut Wort mehr dafür. Denn ich will keinen Verdruß haben. Der Ring ist euer.“ Jetzt brachte der Jud voll Freude dem Gevattermann den Ring. „Morgen komm ich zu euch und hole das Geld.“ Aber der Gevattermann, den noch niemand angeführt hat, machte ein paar große Augen. „Guter Freund, das ist nicht mehr der nemliche Ring, den ihr mir vor zwei Minuten gezeigt habt. Dieser Stein ist zwanzig Kreutzer werth zwischen Brüdern. So macht man sie bei Sanct Blasien in der Glashütte.“ Denn der Fremde hatte wirklich einen falschen Ring in der Tasche, der völlig wie der gute aussah, den er zuerst am Finger spiegelte, und während der Jude mit ihm handelte, und er die Hand in der Tasche hatte, streifte er mit dem Daumen den ächten Ring vom Finger ab, und steckte den Finger in den falschen, und den bekam der Jud. Da fuhr der Betrogene, als wenn er auf einer brennenden Rakette geritten wäre, zu dem Fremden zurück: „Au weih, au weih! ich bin ein betrogener Mann, ein unglücklicher Mann, der Stein ist falsch.“
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/250&oldid=- (Version vom 1.8.2018)