Waldspitze. Sie haben gesungen: So herzig, wie mein Lisel, ist halt nichts auf der Welt.“ Weil aber der Müller auf einem schmalen Steg über einen Graben zu dem Baum mußte, so stieg er von dem Roß ab, um die Krücke herab zu zwicken. Als er aber an dem Baum war, und schaut hinauf, schwingt sich der Heiner schnell wie ein Adler auf den stattlichen Schimmel, gibt ihm mit dem Absatz die Sporen, und reitet davon. „Laßt euch das Gehen nicht verdrießen, rief er dem Müller zurück, und wenn ihr heim kommt, so richtet eurer Frau einen Gruß aus von dem Zundelheiner!“ Als er aber eine Viertelstunde nach Betzeit nach Brassenheim und an die Mühle kam, und alle Räder klapperten, daß ihn niemand hörte, stieg er vor der Mühle ab, band dem Müller den Schimmel wieder an der Hausthüre an, und setzte seinen Weg zu Fuß fort.
In einem schönen Garten vor Straßburg vor dem Metzgerthor, wo jedermann für sein Geld hinein gehen und lustig und honett seyn darf, da saß ein wohlgekleideter Mann, der auch sein Schöpplein trank, und hatte einen Ring am Finger mit einem kostbaren Edelstein, und spiegelte den Ring. So kommt ein Jude, und sagt: „Herr, ihr habt einen schönen Edelstein in eurem Fingerring, dem wär ich auch nicht feind. Glitzert er nicht wie das Urim und Thummim in dem Brustschildlein des Priesters Aron? Der wohlgekleidete Fremde sagte ganz kurz und trocken: „Der Stein ist falsch; wenn er gut wäre, steckte er wohl
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/248&oldid=- (Version vom 1.8.2018)