zu mir kommen. Aber fürs erste so dürft ihr nicht fahren oder auf dem Rößlein reiten, sondern auf des Schuhmachers Rappen, sonst schüttelt ihr den Lindwurm und er beißt euch die Eingeweide ab, sieben Därme auf einmal ganz entzwei. Fürs andere dürft Ihr nicht mehr essen, als zweimal des Tages einen Teller voll Gemüß, Mittags ein Bratwürstlein dazu, und Nachts ein Ey, und am Morgen ein Fleischsüpplein mit Schnittlauch drauf. Was ihr mehr esset, davon wird nur der Lindwurm größer, also daß er euch die Leber erdrückt, und der Schneider hat euch nimmer viel anzumessen, aber der Schreiner. Dieß ist mein Rath, und wenn ihr mir nicht folgt, so hört ihr im andern Frühjahr den Gukuk nimmer schreyen. Thut was ihr wollt!“ Als der Patient so mit ihm reden hörte, ließ er sich sogleich den andern Morgen die Stiefel salben und machte sich auf den Weg, wie ihm der Doktor befohlen hatte. Den ersten Tag gieng es so langsam, daß wohl eine Schnecke hätte können sein Vorreiter seyn, und wer ihn[1] grüßte, dem dankte er nicht, und wo ein Würmlein auf der Erde kroch, das zertrat er. Aber schon am zweiten und am dritten Morgen kam es ihm vor, als wenn die Vögel schon lange nimmer so lieblich gesungen hätten wie heut, und der Thau schien ihm so frisch und die Kornrosen im Feld so roth, und alle Leute, die ihm begegneten sahen so freundlich aus, und er auch, und alle Morgen, wenn er aus der Herberge aus gieng, wars schöner, und er gieng leichter und munterer dahin, und als er am 18ten Tage in der Stadt des Arztes ankam, und den andern Morgen aufstand, war es ihm so wohl, daß er sagte: „Ich hätte zu keiner ungeschicktern Zeit können gesund werden als jetzt, wo ich zum Doctor soll.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: in sinngemäß richtig: ihn
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/228&oldid=- (Version vom 1.8.2018)