daß ein so verständiger Kopf wie ihr seyd, einem Manne ums Brod dienen muß, der euch das Wasser nicht bieten kann. Seyd ihr nicht am kleinen Finger gescheidter, als der am ganzen Körper, so groß er ist?“ Einem andern hätt das im Kopf gewurmt, er hätte Feder und Dintenfaß mit ein paar Flüchen hinter den Ofen geworfen, und seinem Herrn aufgekündet auf der Stelle. Aber der verständige Mendelson ließ das Dintenfaß stehen, steckte die Feder hinter das Ohr, sah seinen Freund ruhig an, und sprach zu ihm also: „Das ist recht gut, wie es ist, und von der Vorsehung weise ausgedacht. Denn so kann mein Herr von meinen Diensten viel Nutzen ziehn, und ich habe zu leben. Wäre ich der Herr, und er mein Schreiber, ihn könnte ich nicht brauchen.“
Als der letzte König von Polen noch regierte, entstand gegen ihn eine Empörung, was nichts seltenes war. Einer von den Rebellen, und zwar ein polnischer Fürst, vergaß sich so sehr, daß er einen Preis von 20,000 Gulden auf den Kopf des Königs setzte. Ja, er war frech genug, es dem König selber zu schreiben, entweder, um ihn zu betrüben oder zu erschrecken. Der König aber schrieb ihm ganz kaltblütig zur Antwort: „Euern Brief habe ich empfangen und gelesen. Es hat mir einiges Vergnügen gemacht, daß mein Kopf bey Euch noch etwas gilt. Denn ich kann Euch versichern, für den eurigen gäb ich keinen rothen Heller.“
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/185&oldid=- (Version vom 1.8.2018)