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und doch können wir dieses auf unserm Gewässer alle Tage sehen, und wir müssen daher auch nicht glauben, daß alle Wunder der Natur nur in andern Ländern und Welttheilen seyen. Sie sind überall. Aber diejenigen, die uns umgeben, achten wir nicht, weil wir sie von Kindheit an und täglich sehen.

Was nun die Fische und Vögel betrift, so schwimmt eine Ente freylich nicht eben so wie ein Fisch, und ein Fisch fliegt nicht wie ein Storch, sondern damit hat es folgende Bewandtniß. Die Floßfedern an der Brust dieser Thiere sind sehr lang und mit einer weiten Haut überzogen. Durch deren Hülfe kann sich der Fisch eine Zeitlang in der Luft erhalten. Aber erstlich das thut nicht länger gut, als diese Haut naß ist. Sobald sie trocknet, fällt der Fisch ins Wasser zurück. Zweytens, er geht nicht aus dem Wasser ohne Noth, fliegt nicht spazieren für Kurzweil oder um seine Kunst zu zeigen, sondern wenn ihn ein Raubfisch verfolgt, und kann ihm nicht mehr anderst entrinnen, und darinn ist er klüger als mancher Mensch, der schon Hals und Bein gebrochen hat. Denn der Fisch sagt: Man muß seiner Natur und seinem Stand getreu bleiben, solang man kann, kein Wagstück treiben, wenns nicht seyn muß, nicht oben zum Fenster hinaus springen, wenn die Thüre offen steht.

Solche fliegende Fische geben den Schiffahrenden, die viele Wochen lang nichts als Himmel und Wasser um sich haben, auf ihrer langweiligen Reise manche Kurzweil, besonders wenn der Raubfisch, welcher sie verfolgt, ebenfalls fliegen kann und ihnen nacheilt. Da sieht man eine seltsame Fischjagd in der Luft. Oft

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Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/119&oldid=- (Version vom 1.8.2018)